: Wo war denn Kollege Wildschwein?
■ 25 Jahre Cross-Lauf am Teufelsberg - gestern wieder / Diesmal nur ein ausgestopftes Borstenvieh
Ein fürchterliches Schnauben kündigte es an; Knacken im Unterholz, bestialischer Gestank, dann steht es vor dir: das eurasische Wildschwein. Fast 200 Kilo borstiger Schrecken, die Eckzähne im Oberkiefer des Tieres nach oben gekrümmt, sagen dem ungläubigen Jogger guten Abend. Langsam trabt das Schwein neben den Knochen des Läufers her. Es läßt sich nicht beirren, grunzt und schmatzt. Dem Jogger dagegen ist eher zum Kotzen zumute, kein Haken hilft, jeder Ausweichversuch scheitert an den Ortskenntnissen des Begleiters aus dem Unterholz. Noch besser, wenn die Viecher im Rudel „Hallo“ sagen oder, um ihre Frischlinge zu schützen, leicht aggressiv in Richtung Läuferbein beschleunigen.
Was sich wie eine Begegnung der dritten Art anhört, gehört
-wie am Sonntag beim 25.Wald- und Wiesenlauf des SCC am Teufelsberg von einigen der 2.280 Renner bestätigt wurde zum Läuferalltag im Grunewald. Frank Zimmermann, der als ehemaliger Deutscher Langstreckenmeister jeden Tag zwischen den Bäumen trainiert: „Manche meiner Kollegen hat es schon auf die Bäume getrieben, aber an sich traben die Schweine neben dir her. Nur in der Frischlingszeit muß man vorsichtig sein. Normalerweise trauen sich die Tiere nur bei einsetzender Dunkelheit aus dem Unterholz, und deshalb rate ich Ängstlichen, tagsüber zu laufen.“
Auch am Sonntag brauchten die SCC-Crosser keine Furcht zu haben. In Rudeln von 100 bis 200 Sportlern hetzten sie durch den Wald und werden nicht nur den lieben Borstenviechern gezeigt haben, wer Herr im Tierreich ist. Davon zeugte übrigens auch ein ausgestopftes Wildschwein, das die Organisatoren in der Nähe des Ziels plaziert hatten. Zeichen der Macht oder Sinnbild des Grunewald-Dschungels, den die Jogger durchkämmen?
Wie dem auch sei, beim SCC-Cross durch Wald, Wiese und Teufelsberg war der Österreicher Gerhard Hartmann von allen Unwägbarkeiten der Natur unbehelligt in 36:41 Minuten über 11.225 Meter als erster im Ziel. Hinter ihm kam der Pole Boguslav Psujek, der 1986 den Berlin-Marathon gewonnen hatte, nach 36:46 ins Ziel.
Im Frauenlauf über 4.440 Meter kam die Seoul-Teilnehmerin Marleen Renders aus Belgien vor Karen McLeod (Schottland, 14:56) und der ungarischen Cross-Meisterin Helen Barosci (15:34) in 14:51 Minuten als erste an.
Th.D.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen