: 1.000 palästinensische Bauern obdachlos
■ Israelische Vergeltung im Jordantal / Angeblich 114 Häuser gesprengt / Kollektivstrafe nach Ermordung eines israelischen Soldaten UNWRA bestätigt Vertreibung „einer großen Zahl“ von Menschen / Ein Schlag gegen palästinensische Landwirtschaft
Jerusalem (afp) - Die israelische Armee hat in der letzten Woche bei einer Vergeltungsmaßnahme gegen mehr als 1.000 palästinensische Bauern in Jiftlik im Jordantal 114 Häuser zerstört, berichteten jetzt humanitäre Organisationen. Diese Kollektivstrafe ist nach Angaben der Militärs eine Reaktion auf die Ermordung eines israelischen Soldaten. Ein palästinensischer Landarbeiter aus dem Dorf Tammun im Norden des besetzten Westjordanlandes hatte den Israeli am Montag, den 7.November getötet, und zwar am Tor der israelischen Landwirtschaftskooperative von Massua im Jordantal. Palästinensische Zitrusfruchtproduzenten betrachten die Militäraktion als einen schweren Schlag für die Landwirtschaft des Westjordanlandes.
800 palästinensische Bauern, die aus demselben Dorf wie der Mörder des israelischen Soldaten stammen, hat die Armee am Dienstag und Mittwoch gewaltsam von Jiftlik in ihr Heimatdorf Tammun gebracht, berichteten Augenzeugen. Tammun liegt rund 30 Kilometer entfernt von Jiftlik in den Bergen. Die meisten der zwangsweise umgesiedelten Bauern besitzen nach Angaben humanitärer Hilfsorganisationen in ihrem Heimatdorf keine Unterkunft mehr. Seit 1967 lebten sie Jiftlik. Nur 300 von ihnen gehört noch ein Haus in Tammun, die übrigen 500 sind jetzt auf die Solidarität und Unterstützung ihrer Landsleute angewiesen. Viele der 6.000 Einwohner Tammuns sind arbeitslos.
Das UNO-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNWRA), das in dieser Region zwei Schulen unterhält, hat nach eigenen Angaben festgestellt, daß „eine große Zahl von Menschen vertrieben worden ist“. Viele Kinder aus den betroffenen Familien seien in den beiden Schulen angemeldet gewesen. „Wir haben ein Hilfsprogramm begonnen, denn 30 Personen stehen bereits seit 1948 als Palästina-Flüchtlinge auf unseren Listen“, sagte ein leitender Mitarbeiter der UNWRA.
Der israelische Verwaltungssprecher versicherte, die Umsiedlungsaktion betreffe „nur einige Dutzend Personen“. Es handle sich um „Saisonarbeiter, die illegal in den Vorstädten leben und die wir nach Hause geschickt haben“. Rund 20 Baracken seien niedergerissen worden. Doch die Bauern - sie sind Teilpächter - können anhand von Wasserrechnungen, die sie bei der israelischen Verwaltung bezahlten, sowie Pachtverträgen beweisen, daß sie schon über zehn Jahre dort lebten.
Ein palästinensischer Bauer aus Jiftlik vermutet: „Die Israelis haben den Mord zum Vorwand genommen und damit ein neues Mittel gefunden, um unsere Landwirtschaft zu schwächen, indem sie einen Teil unserer Ernte ruinieren.“ Er glaubt, Israel wolle die Konkurrenz in der Region zwischen israelischen Agrarkollektiven und palästinensischen Bauern beim Export von Zitrusfrüchten, insbesondere in die Europäische Gemeinschaft, zerstören. Bei Razzien in den besetzten Gebieten haben israelische Polizei- und Militäreinheiten in der Nacht zum Montag mehr als 50 mutmaßliche palästinensische Untergrundkämpfer festgenommen. Israelische Politiker machten inzwischen deutlich, daß die Anerkennung der UNO-Resolution 242 durch den Palästinensischen Nationalrat nichts an der israelischen Weigerung ändern werde, mit der PLO zu verhandeln.
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