Dregger bleibt Fraktionschef

■ Das Kandidatenkarussell für die Nachfolge Jenningers als Bundestagspräsident dreht sich weiter / Nach Dregger nun Dorothee Wilms (CDU) und Michaela Geiger (CSU) im Gespräch für den zweithöchsten Posten

Berlin (taz) - Bundeskanzler Kohl bleibt bei seiner Personalpolitik weiterhin ohne Fortune. Nach der Pleite in Rheinland-Pfalz gelang es Kohl gestern trotz persönlicher Seelenmassage nicht, den ungeliebten Fraktionschef Dregger zur Übernahme des protokollarisch höher rangierenden Amtes des Bundestagspräsidenten zu bewegen. Dregger, der sich bereits Tage vorher gegen entsprechende Avancen Kohls gewehrt hatte, blieb bei seinem kategorischen Nein und ließ sich lediglich zu einem Gespräch über sonstige mögliche Kandidaten vom Kanzler vernehmen.

Dabei hatte Kohl ganz offensichtlich anders disponiert. Mit dem Jenninger-Desaster schien endlich die Chance gekommen, den seit langem schwelenden Konflikt zwischen der Christen -Fraktion und ihrem Vorsitzenden Dregger elegant zu lösen. Wie weiland Gorbatschow seinen Gromyko wollte Kohl seinen Dregger in räpräsentative Höhen wegloben, um den für den eigenen Machterhalt ungleich wichtigeren Job des Fraktionsvorsitzenden endlich wieder mit einem Mann besetzen zu können, der die gefrusteten Abgeordneten bei der Stange halten kann. Bereits vor den letzten Bundestagswahlen, scheiterte ein Versuch, Dregger den Job als Bundestagspräsident anzudienen. Seitdem ging die Erosion seiner Autorität stetig voran. Angefangen von der Debatte um die Mittelstreckenrakten, wo Dregger sich zielstrebig in eine letztlich ausweglose Position gegen die Null-Lösung manövrierte, bis hin zum offenen Aufstand der Fraktion gegen die Steuerbefreiung für Hobbyflieger a la Strauß - der mainstream der CDU-Fraktion geht an Dregger mittlerweile weit vorbei. „Wir haben dem alten Herrn“, kommentierte damals ein CDU-Parlamentarier, „den Führerschein weggenommen“. So sehr vor diesem Hintergrund der Wunsch Kohls, Dregger endlich loszuwerden, verständlich ist, so denkbar schlecht ist der Anlaß. Wenn es innerhalb der CDU auch niemand offen ausspricht - ausgerechnet den rechtsnationalen Dregger, der in der Vergangenheit vor allem mit markigen Reden zur deutschen Geschichte reüssierte, zum Jenninger-Nachfolger zu machen, wäre wohl ein Treppenwitz der Geschichte. Vor allem die Rede Dreggers zum Volkstrauertag 1986 ist den meisten noch gut im Gedächnis. Im offenkundigen Bemühen, Weizsäckers Schuldeingeständnis vom 8.Mai 1985 zu konterkarieren, trat Dregger zur Ehrenrettung des deutschen Soldaten schlechthin an. Angeblich vor die Alternative gestellt, mit Deutschland auch Hitler zu verteidigen, oder mit Hitler auch Deutschland preiszugeben, sei es höchst ehrenhaft gewesen, „dem Kriegsgegner bis zuletzt zu widerstehen“. Im übrigen hätte der Frontsoldat von den Verbrechen der Nazis kaum etwas mitbekommen. Wenn schon nicht Kohl, so war doch wohl einem relevanten Teil der CDU-Fraktion klar, daß auf diese Weise die Neubesetzung des zweithöchsten Staatsamtes nicht „zur Lösung interner Personalprobleme der CDU“ (SPD Vogel) zu gebrauchen sei.

Unterdessen geht nach dem neuerlichen Kanzler-Flop die Suche nach der Jenninger-Nachfolge weiter. Anscheinend soll es nun eine Nachfolgerin werden. Öffentlich im Gespräch sind jedenfalls die derzeitige Bundesministerin für Innerdeutsche Beziehungen Dorothee Wilms und die außenpolitische Sprecherin der CSU, Michaela Geiger. Ministerin Wilms, deren Geschäfte sowieso weitgehend von Kanzleramtsminister Schäuble geführt werden, stand zuletzt im Rampenlicht der CDU, als sie gemeinsam mit Geißler Thesen zur Deutschlandpolitik vorlegte, mit der die Union endlich auch ideologisch ihr Verhältnis zur DDR renoviert hätte. Michaela Geiger ist dagegen stramm auf Rechtskurs. Im Streit um die Rolle der Bundeswehr plädierte sie für deutsche Soldaten an den Golf.

Jürgen Gottschlich