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Auch Siemens kauft Rüstungskonzern

Ein deutsch-britisches Elektronik- und Rüstungsunternehmen wird aufgebaut  ■  Aus London Rolf Paasch

Zwei der größten europäischen Elektronikunternehmen, Siemens und die britische General Electronic Company (GEC), haben sich zusammengetan, um gemeinsam die britische Unternehmensgruppe Plessey (Rüstungs- und Telekommunikationsproduktion) zu übernehmen. Das am Mittwoch in London vorgestellte Übernahmeangebot in Höhe von 1,7 Mrd. Pfund (5,4Mrd. Mark) kommt nur zwei Jahre nach dem am Einspruch gescheiterten Versuch GECs, Plessey im Alleingang zu kaufen. Plessey wies das Übernahmeangebot „mit Nachdruck“ zurück.

Der neue Zusammenschluß Siemens-GEC würde den größten Elektronikkonzern Europas und mit einem Umsatz von insgesamt 22Mrd. Pfund (69,3Mrd. Mark) eines der größten Elektronikunternehmen der Welt schaffen. Um die Einwände der britischen Kartellbehörde zu entkräften, geben Siemens und GEC vor, Plessey auch weiterhin unter einem eigenen Management betreiben zu wollen, so daß die einzelnen Elemente auf den verschiedenen Märkten angeblich weiterhin im Wettbewerb stehen sollen. Nach mehreren in jüngster Zeit in Großbritannien gescheiterten Übernahmeversuchen dürfte das Angebot von Siemens und GEC ein Modell für zukünftige „Take-overs“ sein, bei denen die Kartellbehörden auf dem Weg in den europäischen Binnenmarkt geschickt umgangen werden. Nun muß mit dem britischen Industrieministerium ausgerechnet die Behörde über eine Anrufung der Kartellbehörde entscheiden, die britische Unternehmen seit Monaten anfleht, 1992 ernst zu nehmen.

Siemens, das mit einem Jahresumsatz von über 50Mrd. Mark die Aktivitäten der beiden größten britischen Elektronikunternehmen in den Schatten stellt, würde bei der geplanten Übernahme einen Anteil von 40 Prozent an der zusammengeschlossenen Telekommunikations-Operationen von GEC und Plessey erwerben. GEC dagegen erhielt einen 50-Prozent -Anteil an Siemens-Verteidigungselektronik mit 2.000 Beschäftigen und einem Umsatz von zweiMrd. Mark. GEC verspricht sich davon Zugang zum bundesdeutschen Rüstungsmarkt, während sich für Siemens neue Chancen auf dem fortgeschrittenen Telekommunikationsmarkt in Großbritannien

-und über Plessey auch in den USA - eröffnen. Börsenanalysen in London schließen allerdings auch eine vollständige Übernahme GECs durch Siemens - immerhin den viertgrößten Elektronikkonzern der Welt - langfristig nicht aus.

Siemens hat sich mit dem Einstieg bei GEC zumindest die Möglichkeit geschaffen, Daimler-Benz in Zukunft in den Rüstungsbereich nachzufolgen. Sowohl GEC, als auch Plessey haben es in den letzten Jahren versäumt, ihre führende Position auf dem britischen Rüstungsmarkt zu einer internationalen Ausweitung ihrer Aktivitäten zu nutzen. Erst kürzlich hatte die 'National Economic Development Office‘ der britischen Elektronikindustrie Insularität und mangelndes strategisches Denken vorgeworfen. GEC mußte vor zwei Jahren über Nacht eine Mrd. Pfund abschreiben, als ihr die Amerikaner den Rüstungsauftrag für das Radarsystem NIMROD wegschnappten, weil GEC aufgrund technischer Schwierigkeiten die Lieferfristen nicht einhalten konnte. Auch Plessey, deren weltweit 30.000 Beschäftigte sich vornehmlich auf Kommunikationssysteme für den Kriegsfall spezialisieren, hat in letzter Zeit wichtige Aufträge an die französische Konkurrenz verloren. Der Einstieg in die angeschlagene britische (Rüstungs-)Elektronik-Industrie mit ihren schlummernden „Potentialen“ mußte Siemens als idealer Schritt in einen zivil und militärisch integrierten europäischen Binnenmarkt erscheinen.

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