Dirty Dancing für Kuno van Euten

■ Für „Holiday on Ice“ glitschen mächtig viele Langbeine im wesentlichen mit einem Ausschnitt bekleidet und ganz irre populär übers Eis in Bremens Stadthalle

Eisbären vor New York, Bernhadiner in Calcutta? Holiday on Ice machts möglich und noch viel mehr.

„La Paloma Ohee“ am Stadhalleneingang hätte eigentlich schon Warnung genug sein sollen, aber können 250 Millionen Zuschauer (so viele schauten bisher zum Spektakel aufs Eis laut Eintrag im Guiness-Buch der Rekorde) so sehr irren? Sie können. „Die populärste Veranstaltung aller Zei

ten“, wie Holliday on Ice sich titulieren darf, glänzt derzeit in Bremen mit einer „Interpretation“ von Jules Vernes „Reise um die Erde in 80 Tagen.

Wahre Völkerströme sind busseweise angekarrt, das gesamte Bremer Umland scheint hier Stadtluft wittern zu wollen.

Man muß die Geschichte wohl nicht allzu genau kennen, um zu wissen: so kann Jules Verne das nicht gemeint haben. Aber fangen

wir am Anfang an: England, London, 29 September 1872. Logisch: Bowlerhats, Gentlemen und Bigbongbingbong-Big Ben. Und schon schlittert eine Staffel Beinfrei-Palastwache in die Arena. Bajonett gereckt und Rock gelüpft, zwo, drei, vier. Auf Schlittschuhen sieht Marschieren noch hundert mal dämlicher aus.

Nachdem wir mitklatschend unsere Sympathie für militärische Aufläufe bewiesen haben, kann es

losgehen. Klischees on Ice: Vom Club-London ins Moulin Rouge Paris und weiter ins Bauchtanz Ägypten, wo Mr. Phileas Fogg ganz Gentleman, der Tänzerin die Luftballon-Titten abstechen darf. In Indien sprechen die Leute schlecht Deutsch, wie jeder weiß, „bei dieses Preis Elefant nix sein mehr heilig“, und Mister Fogg muß sich genötigt sehen, solch Hottentotten westliche Zivilisation beizubringen.

Doch endlich Amerika, wir fallen wieder in Marschmusik, es darf geklatscht werden. Leider auch hier: plündernde Indianer.

Die ganze Gechichte ist eine einzige Rechtfertigung dafür, möglichst viele, möglichst kurz bekleidete Mädchen massenhaft über das Eis glitschen zu lassen. Ein Viel -Aufwand-Austattungsspektakel, aber nicht mal perfekt. Die Dialoge kommen farblos gesprochen aus dem Lautsprecher gedröhnt, der Jongleur sieht sich gezwungen, seine Nummer achtmal zu wiederholen. Aber das Publikum ist begeistert, und je öfter gepatzt wird, desto höher schwappen die Sympathiewogen.

Die Show findet zwar tatsächlich auf Eis statt, könnte aber genausogut auf Rollschuhen oder Skateboards absolviert werden. Hauptsache buntes Massenspektakel mit Marschmusik. Und es endet wie es enden muß: Glücklich und mit vielen Kindern.

Dann ein pompöses Finale: die Damen ganz Glühbirne, die Herren ganz Q-Tip, mit einer Musik, verdächtig nahe an der Nationalhymne. Fast wie im Fernsehen, aber leider nur fast.

Dirty Dancing für Kuno van Euten. Jedes Publikum hat die Show, die es verdient.

KeDe