: Neofaschisten in Südtirol auf dem Vormarsch
■ Landtagswahl in Südtirol mit hoher Wahlbeteiligung / Italienische Neofaschisten mit 10 Prozent Stimmenanteil / Grüne auf Erfolgskurs / Regierende Südtiroler Volkspartei baut mit 60,4 Prozent absolute Mehrheit aus / In Bozen bestätigen sich Neofaschisten als stärkste Partei
Bozen (ap/dpa) - Bei den Südtiroler Landtagswahlen haben die italienischen Neofaschisten nach ersten Ergebnissen beträchtliche Gewinne erzielt. Die seit dem Kriegsende regierende Südtiroler Volkspartei (SVP) konnte jedoch ihre absolute Mehrheit ausbauen. Die Auszählung ergab am Montag einen Stimmenanteil von 60,4 Prozent. 1983 hatte die SVP 59,5 Prozent erhalten.
Auch nach dem Bekanntwerden dieses Resultats dauerte die Spannung an. Mit sogenannten Präferenzstimmen konnten die Wähler festlegen, wer innerhalb der SVP künftig die politische Linie bestimmt. Auf der einen Seite stehen die Anhänger des scheidenden Landeshauptmannes Silvius Magnago und seines designierten Nachfolgers Luis Durnwalder, auf der anderen Alfons Benedikter und dessen Anhänger, die innerparteiliche Opposition der SVP. Magnago und Durnwalder sind mit dem erreichten Minderheitenschutz für die deutschsprachigen Südtiroler zufrieden, Benedikter bezeichnet sie als „Verzichtspolitiker“. Die Auszählung der Präferenzstimmen wurde für den Abend erwartet.
Die neofaschistische Italienische Sozialbewegung MSI steigerte ihren Anteil gegenüber von 1983 von 5,9 auf 10,3 Prozent. Die MSI hatte im Wahlkampf die Privilegien der deutschsprachigen Mehrheit in Südtirol angeprangert. Sie ist jetzt die stärkste Vertretung der italienischen Volksgruppen im Bozener Parlament. Die Grün-Alternativen, die einzige politische Gruppierung, die sich sowohl an die deutsche als auch an die italienische Sprachgruppe wendet, kamen von 4,5 auf 6,7 Prozent.
Die Christdemokraten blieben mit 9,1 Prozent unter ihrem Ergebnis von 1983 (9,5 Prozent). Verlierer waren alle anderen italienischen Parteien, vor allem die Kommunisten, die von 5,6 auf 3,0 Prozent fielen. Schlechter noch als vor fünf Jahren schnitten auch zwei rechtsextreme Splitterparteien der deutschen Sprachgruppe ab. Die Wahlbeteiligung bei den Wahlen am Sonntag lag mit 93 Prozent sehr hoch. Von den 350.000 Wahlberechtigten sind zwei Drittel deutschsprachige und ein Drittel Angehörige der italienischen Minderheit.
Die Zugewinne der Neofaschisten mit ihrem Antiautonomiekurs könnte nach Auffassung politischer Beobachter die Regierung in Rom zu einem Überdenken des bisherigen Kurses veranlassen. Den Wahlen war eine Serie von Bombenanschlägen vorausgegangen.
In der Stadt Bozen haben sich die italienischen Neofaschisten als stärkste Partei bestätigt. Die MSI kam nach dem vorläufigen Endergebnis in der Stadt auf 26,8 Prozent. Vor fünf Jahren waren es 15,4 Prozent gewesen.
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