piwik no script img

Tumulte in Israels Knesset

Alterspräsident propagierte ein Groß-Israel beiderseits des Jordan / Erbitterte Proteste der Linken / Likud stellt neuen Knesset-Sprecher / Arbeiterpartei brach Koalitionsgespräche ab  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die feierliche Eröffnungssitzung der neuen Knesset verwandelte sich in ein wildes politisches Schlachtfeld, als der Alterspräsident Jair Sprintzak sich nicht auf die übliche kurze Ansprache beschränkte, sondern seine Eröffnungsrede zu einem Plädoyer für ein Groß-Israel auf beiden Seiten des Jordan nutzte. Der 76jährige Sprintzak ist Abgeordneter der Heimats-Partei, deren Hauptziel darin besteht, die palästinensischen Araber allesamt in die Nachbarländer zu „transferieren“, wie hier die Sprachregelung lautet. Die Rede löste scharfe Proteste der liberalen und linken Fraktionen aus - 30 Abgeordnete der Linken verließen für kurze Zeit die Sitzung und fügten danach der Eidesformel das Wort „Rassismus“ hinzu. Diese Eide wurden für ungültig erklärt und mußten später wiederholt werden.

Eine ernstere Schlappe mußten die Arbeiterpartei und ihre Verbündeten bei der Wahl des Knesset-Vorsitzenden einstecken: Es siegte der Likud-Kandidat Dov Schilansky über den bisherigen „Sprecher“ Shlomo Hillel von der Arbeiterpartei. Schilansky gehört zu den extremen Rechten unter den Likud-Veteranen und ist als Fürsprecher der Gusch -Emunim-Lobby der Siedler bekannt. Gegenüber den Medien erklärte der neue Vorsitzende des israelischen Parlaments, er beabsichtige nicht, „irgendeinem deutschen Besucher die Hand zu geben“. Das kann problematisch werden - vor allem, wenn der Staatspräsident außer Landes ist und der Knesset -Vorsitzende die Funktionen des Präsidenten übernimmt.

Am Dienstag brach dann die Arbeiterpartei die Verhandlungen mit dem Likud über eine Regierungskoalition ab, wie ein Sprecher von Parteichef Peres mitteilte. Es sei zwecklos, auf der Basis der Mitteilungen des Likud die Verhandlungen fortzusetzen. Nach Ansicht von Beobachtern könnte diese Entscheidung der Arbeiterpartei jedoch auch taktischen Zwecken dienen, um die Positionen des Likud aufzuweichen. Es geht insbesondere um das Verteidigungs- und das Finanzministerium.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen