Blutiger „Denkzettel“

■ Lehrer verletzte Skinhead mit Messerstichen: 11 Monate auf Bewährung

Ob es nun ein vorbereiteter Akt von Selbstjustiz oder aber eine Affekthandlung war, mochten die Richter der Großen Strafkammer des Bremer Landgerichts gestern nicht endgültig entscheiden. Für erwiesen hielten sie aber, daß der 52jährige Bremer Lehrer Akbar R. im November 1985 im Bremer Amtsgericht den damals 19jährigen Kai Panzer mit jeweils zwei Stichen in die rechte Schulter und den linken Halsbereich schwer verletzt hatte. „Heimtückische Tötungsabsicht“ hatte die Staatsanwaltschft Akbar R. in ihrer Anklageschrift vorgeworfen. Das Gericht sah es anders: Wegen schwerer Körperverletzung verurteilte es den Lehrer zu 11 Monaten Freiheitsentzug auf Bewährung und einer Geldbuße von 3.000 Mark.

Zur Vorgeschichte: Am Tag der Tat sollte gegen Kai Panzer vor dem Bremer Amtsgericht verhandelt werden, da er im Verdacht stand, den Sohn des Lehrers mit einem Gasrevolver verletzt zu haben. Im Dezember 1984 soll der Lehrersohn von einer Skinhead-Gruppe überfallen worden sein. Kai Panzer, der sich nach eigenen Angaben jetzt von den Skinheads abgesetzt hat, war von seinem Opfer beschuldigt worden, ihm mit einem Gasrevolver direkt ins Ohr geschossen zu haben. Nur „mit viel Glück“ sei damals das Trommelfell unverletzt geblieben, so der Verteidiger von Akbar R., Rechtsanwalt Heinrich Hannover, gestern vor der Großen Strafkammer. Panzer hat diese Tat abgestritten. Wegen des Verdachts sollte er sich im November 1985 vor dem Jugendrichter verantworten. Doch dazu kam es nicht. Noch vor der Verhandlung versetzte ihm der Vater des Geschädigten vier Messerstiche und floh dann.

Akbar R. äußerte sich gestern zu der ihm vorgeworfenen Tat überhaupt nicht. Durch seinen Rechtsanwalt Heinrich Hannover ließ er lediglich eine Erklärung verlesen. Danach habe er mit dem Angeklagten sprechen wollen und sich dann bedroht gefühlt. Er habe nach der Verletzung seines Sohnes aber auch dem Täter als Mitglied einer ausländerfeindlichen Organisation einen „Denkzettel verpassen“ wollen.

Den Eindruck eines Verfechters von Selbstjustiz machte der Angeklagte gestern vor dem Gericht aber nicht. R. war 1960 aus seinem Heimatland Iran nach Deutschland gekommen, hatte hier studiert und im Mai 1966 in Bremen geheiratet. Er besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und unterrichtet Biologie und Mathematik. Von seinen KollegInnen war er als „zurückhaltend, höflich, nicht aggressiv und eher konfliktscheu“ beschrieben worden. Aufgrund der Fürsprache von Eltern und SchülerInnen konnte er auch noch nach der ihm zur Last gelegten Tat weiter unterrichten.

Das Gericht sah keinen Grund für eine verminderte Schuldfähigkeit, bezeichnete den Vorfall aber als „einmalige Entgleisung“ und blieb unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Bewährungsstrafe von 18 Monaten gefordert hatte. Damit kann Akbar R. jetzt weiterhin unterrichten. Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr hätte automatisch zu seiner Entlassung als Beamter geführt.

oma