: BUND kritisiert Umweltsenatorin
■ Stadtentwicklung ohne Umweltschutz würde der „Betonfraktion das Feld überlassen“ / Verkehrsökologe sieht Chancen in dem Doppelressort, aber: „Es ist immer die Frage, wer ein solches Amt innehat“
Der Senat ist nicht nur an dem St.-Jürgen-Skandal und seinem Verständnis von 'politischer Verantwortung‘ nach dem blutigen Ende des Geisel-Dramas gescheitert, sondern auch an der Verkehrspolitik. „An allen Ecken Bremens sind Straßenbau -Maßnahmen vorgesehen, das hat zu einer Krise geführt. Der Bürger will diese Politik, die unter dem Deckmantel 'Umweltschutz und Stadtentwicklung‘ durchgesetzt werden soll, nicht“, sagt der Verkehrsökologe beim Bund für Umwelt -und Naturschutz (BUND), Andreas Mausolf.
Die zuständige Senatorin Eva-Maria Lemke-Schulte trägt dafür Mitverantwortung: „Personalprobleme an der Spitze in den Ressorts“ sieht der BUND-Vertreter. Denn „unter dem Deckmantel von Umweltschutz und Stadtentwicklung sollte eine Politik fürs Auto betrieben werden.“ Dr. Helmut Horn, BUND -Vorstandsmitglied, hat dasselbe so formuliert: „Wer hätte noch vor zwei Jahren angenommen, daß die Bremer SPD den Rückfall in die finstere Zeit der 60er Jahre plant?“
Der Verkehrsökologe Mausolf sieht „unwahrscheinliche Möglichkeiten“ in der Kombination Umweltschutz und Stadtentwick
lung - die aber vom Ressort nicht wahrgenommen wurden. Mausolf: „Es ist immer die Frage, wer ein solches Amt innehat. Was uns an der Senatorin sehr gestört hat, ist dies: Sie hat immer mit der Prognose der PKW-Zulassungen bis zum Jahr 2000 argumentiert.“ Wer damit für den Straßenbau plädiert, dem hält Mausolf ein Zitat aus einer Broschüre des Bundesministeriums für Raumordnung und Städtebau entgegen: „Prognose sagt, was sein wird, wenn die Politik nicht handelt.“
Wer den Lebensraum Stadt erhalten will, erläutert der BUND -Vertreter sein „menschen- und umwelt-gerechtes“ Gegenkonzept, muß auf den Ausbau der Straßenbahn-Linien setzen, muß die LKW-Transporte systematisch auf die Schiene verweisen. Für die Pendler müsse ein attraktives Bundesbahn -Regional-Konzept mit modernen Wagen und kurzen Wartezeiten her, das auch schneller als das Auto sein kann. Derzeit fahren z.B. die Busse aus Syke nicht an den Bahnhof Syke, sondern zum Bremer Hauptbahnhof. „Das ist verkehrspolitischer Unfug.“
Beim BUND ist in viermonatiger Arbeit ein menschen- und umweltverträgliches Verkehrskonzept entwickelt worden. Mausolf:
„Eigentlich hatten wir uns erhofft, daß so etwas im Senatsressort erstellt würde.“
Dort scheint aber daran kein Interesse zu bestehen. Im Verkehrskonzept von 1980 ist für den Bremer Osten zumindest die Verlängerung der Straßenbahn-Linien 2 und 10 geplant, Geld wird
nur ausgegeben für Straßenbau.
Der BUND-Vertreter sieht die Ursachen: „Wir sind eine Autostadt. Gerade mit dieser Zusammenballung von Mercedes und MBB ist der Bremer Senat noch abhängiger geworden, das ist ganz klar, auch wenn man nie nachweisen kann, inwieweit es da
Einflußnahmen gibt.“
Für den BUND geht es um eine „entscheidende Weichenstellung“. Wenn Umweltschutz und Stadtentwicklung wieder auseinandergehen, würde, so befürchtet Mausolf, „der Betonfraktion im Straßenbau das Feld überlassen“.
K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen