piwik no script img

WAS DAS ZEUG HÄLT

■ Ateliergemeinschaft z-Art im Kunstamt Kreuzberg

An einem naßkalten Novembertag den Mantelkragen hochschlagend - James Dean wieder nicht begegnet - auf dem Weg ins Kunstamt Kreuzberg: Dort stellt sich die Ateliergemeinschaft z-Art das erste Mal außerhalb der Zeughofstraße einem breiteren Publikum vor.

Sakrale Dunkelheit und ein durchdringender Geruch von Kantinenessen sind die ersten sinnlichen Eindrücke, bevor der Besucher die langen Flure, die zur Ausstellung führen, betritt. Die Wege der Krankenschwestern - damals - sind von den vier Künstlern dekoriert.

Paletten baumeln von der Decke, Miniaturen von Horst Martin Herrmanns bunten, großformatigen Palettenbildern. „Zustände“ jeweils vom 30.6.-13.7. so die Titel, die kein Verweis sind auf eine Sequenz von Bildern im Sinne einer Entwicklungsgeschichte. Wie schon in den früheren „moving objects“ geht es dem Künstler auch hier hauptsächlich um die Verdeutlichung der Prozeßhaftigkeit künstlerischen Arbeitens. Dabei wird das Material selbst zur alleinigen Aussage. Ein Tisch, auf dem Farben angemischt wurden, liegt umgekippt in der Ecke; Paletten und Deckel von Farbeimern sind direkt in die Bilder montiert, farblich nicht zu unterscheiden von der bemalten Leinwand. Je nach goodwill kann man das als Irritation oder pädagogische Überakzentuierung interpretieren. Ein aus gelben, roten und blauen Einzelteilen bestehendes Tryptichon greift die Palette thematisch als Farbskala auf, und „im Angesicht“ der Palette steht der Besucher bei den 1,80m hohen Figuren, deren Arme Pinsel, deren Beine Holzstücke sind, mit denen Farbeimer umgerührt wurden.

Holz ist das Grundmaterial von Pomana Zipsers Skulpturen. Abfall aus der Schreinerei, gesplitterte Kanthölzer, Fundstücke von der Straße werden präpariert, bemalt, mit Drähten oder Schnüren verbunden in eine künstlerische Form gebracht. Zentral und im wahrsten Sinne des Wortes raumgreifend die Installation „Der elfte Gesang“, eine Schlachtszene aus der Homerschen Illias. Naheliegend bei diesem Thema wäre Masse und Material, stattdessen ein fragil wirkendes Arrangement. Die Einzelelemente der Szenerie stehen miteinander in Verbindung, räumliche Gegebenheiten, wie zum Beispiel ein Heizkörper, werden miteinbezogen. Die so entstehenden Bezugs- und Beziehungslinien ergeben eigenwillige Konfigurationen.

Aggressive, spitze Hölzer ragen wie Speere in den Raum, ein Schiff, eine Gondel, eine Galeere, schwebt die Schwerkraft aufhebend unter der Decke, auf der anderen Seite stehen Gruppen - vielleicht auch Paare -, die miteinander ringen. Vielfältige Interpretationen sind möglich, da die Künstlerin keine Abbilder der Realität liefert, sondern interpretatorische „Schwebedimensionen“ (Oskar Pastior im Katalogtext), Objekte in Momenten der Verwandlung und Verfremdung.

Toni Wirthmüller zeigt Serielles neben großformatigen Tafelbildern in blau-gelb Kompositionen. Bei allen Bildern wird die Oberfläche der Leinwand be- und erarbeitet. Verschiedene Grundierungen, viele Malschichten, unterschiedlichste Materialcollagen gehen in die Gesamtkomposition ein. Die Ruhe und Geduld im Gestaltungsprozeß scheint sich auf den Betrachter zu übertragen. Man läßt sich Zeit, die scraffitoartigen Gestalten und Konturen zu deuten, die Chiffren und Zitate zu erkennen, in den Serien eine Geschichte zu finden. Die aus Sand, Papier oder Pappe entstehenden Reliefs, die unter anderem bei den Großformaten nur einen kleinen Bildausschnitt ausmachen, kontrastieren zum tiefblauen Umfeld, zum samtig tiefen Pariser Blau, zum schwebenden Ultramarin.

Die temperamentsmäßigen Antipode zu Toni Wirthmüllers meditativen Bildern sind die großen Acryl- und Ölbilder von Christian Rothmann. „Er malt, was das Zeug hält“ (so die herrlich zu lesende Kommentierung von Wim Wenders im Katalog zur Ausstellung). Es dominieren reine Farben, die in dynamischen Duktus auf die Leinwand gebracht werden und dort förmlich explodieren. Einzelelemente, die wie geheimnisvolle Alphabete wirken, tauchen immer wieder in unterschiedlichsten Variationen auf, ergeben eigenwillig schwebende Kompositionen, die in ihrer Leichtigkeit und Dichte und in ihrem Erfindungsreichtum bestechen.

Der Künstler hat sich damit vom Zeichnerischen, von einer eingekreisten und damit beengten Form entfernt und zu einer offeneren, bewegteren Formensprache gefunden, die auf der Leinwand Farben und Formen dekliniert.

Kein bestimmter Stil, keine gemeinsame Kunstrichtung, kein Lehrer oder Vorbild verbindet die vier Künstler, dies soll auch der Titel der Ausstellung „lose Bande“ andeuten.

D. Kloock

Zu sehen bis zum 4. Dezember, täglich außer Montags, Di bis So 11-18 Uhr im Kunstamt Kreuzberg, Mariannenplatz 2, 1-36.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen