: Wenn Tarzan die Braut klaut
■ Ein Partygag-Service sorgt für Stimmung auf Partys, Familienfeiern und Betriebsfesten
Die Gäste sitzen am Tisch und laben sich an der Hochzeitstorte. Plötzlich stürmt Tarzan in den Raum, schnappt sich die Braut und verschwindet mit ihr. Der Dschungelheld ist weder unsterblich verliebt, noch will er die Ehe verhindern. Die Inszenierung ist vielmehr ein Geschenk und erfolgt gegen Bezahlung, vermittelt vom Partygag-Sevice „Kiss-a-gram“.
Die KÜnstleragentur, seit Anfang 1987 im Geschäft, begann mit sogenannten Kußtelegrammen. Kunden schicken einen Künstler zu einem Kranken in die Klinik, zur Geburtstagsfeier oder auch ins Restaurant und lassen dort ein Ständchen, ein Gedicht oder einen Sketch vortragen. Auf Wunsch des Auftraggebers wird auch getanzt und gesteppt. Nachdem sich zunächst Privatpersonen den Spaß etwas kosten ließen, meldeten sich nach und nach auch immer mehr offizielle Kunden, die sich beispielsweise für ihre Weihnachtsfeiern komplette Shows zusammenstellen lassen.
Ganz groß im Kommen sind Stripteasedarbietungen. Vor allem amerikanische Kunden buchten nach Auskunft einer der Geschäftsführerinnen fast nur Strip, vermutlich weil sie selbst zu prüde seien. „Der Strip soll dabei immer Stil haben, soll nicht obszön sein und geht maximal bis zum Slip“, meint sie. Entblättern tun sich aber nicht nur Frauen, sondern auch Männer. So erfüllten einige Frauen ihrer Freundin neulich den langgehegten Wunsch, daß sich endlich mal ein Mann für sie ausziehen solle. Vermutlich ist aber auch dieser Strip-Boom nur vorübergehend.
Die Wünsche der Kunden, die eine Show geboten haben wollen, sind stark modeabhängig . Seit „Dirty Dancing“ ist der „Brasil„-Tänzer ständig ausgebucht. Die Klassiker wie Pantomime, Jonglieren und Zauberei sind dagegen out.
„Kiss-a-gram“ liefert für alles ein Programm. Sogar auf Kindergeburtstagen kommen Künstler mal für ein Liedchen vorbei oder liefern bei Bedarf ein zweistündiges Programm. Menschen mit Anrufbeantwortern können sich auch von Stimmimitatoren ihren Anrufbeantworter von Hans Moser oder Tegtmeier besprechen lassen, damit Geschäftspartner oder Bekannte an der Strippe bleiben. Wer bei Partys nicht allein in Schwung kommt, kann sich als „Knotenlöser“ einen Eintänzer bestellen.
Inzwischen sind rund 150 KünstlerInnen in der Kartei. Talent und Ausstrahlung sind den Geschäftsführerinnen dabei wichtiger als ein bekannter Name. Die Honorare machen sich neben der Länge an der Qualität der Darbietung fest. Der Partygag-Service kassiert eine prozentuale Provision. Nachdem die Agentur gut angenommen und auf der diesjährigen Dienstleistungsmesse als originellste Dienstleistung Berlins ausgezeichnet wurde, plant Kiss-a-gram, sich auch auf das Bundesgebiet auszudehnen. München fällt dabei aber flach, denn dort gibt es für Dienstleistungen solcher Art kaum eine Genehmigung.
Silke Kluckert
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