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„Heiße Teilchen“ lassen Staatsanwalt kalt

■ 130.000 Becquerel auf bayerischen Hausdächern gemessen / Anzeige gegen bayerischen Umweltminister Alfred Dick seit vier Monaten in Bearbeitung / Grüne Bundestagsabgeordnete Halo Saibold vermutet politisch motivierte Trägheit

München (taz) - Die Tschernobyl-Wolke hat sich verzogen, und der Skandal ist längst aus den Schlagzeilen verschwunden. Nur die Münchner Staatsanwaltschaft muß sich noch mit den Folgen des radioaktiven Fall-out der Tschernobyl-Wolke herumschlagen.

Und wer ist schuld? Natürlich wieder einmal die Grünen. Die grüne Bundestagsabgeordnete Halo Saibold ließen die gesundheitsgefährdenden radioaktiven „heißen Teilchen“ auf den bayerischen Hausdächern nämlich keine Ruhe. 130.000 Becquerel wurden da in mehreren Gegenden im Frühjahr gemessen. Auf die Gefährlichkeit wies auch Professor Lengfelder vom Strahlenbiologischen Institut der Uni München hin. Doch Umweltminister Dick ließen die „heißen Teilchen“ einfach kalt. Während er, um die Ungefährlichkeit des verstrahlten Molkepulvers zu demonstrieren, selbst zum Löffel griff, konnte er sich in diesem Fall nicht einmal dazu aufraffen, wenigstens auf ein Hausdach zu klettern. Falls er nicht schwindelfrei ist, hätte ja das Betonflachdach seines Umweltministeriums zu Demonstrationszwecken ausgereicht.

Doch nicht nur Umweltminister Dick kümmern anscheinend die „heißen Teilchen“ nicht, auch die Münchner Staatsanwaltschaft plagt kein Handlungsbedarf. Seit vier Monaten bearbeitet sie die Strafanzeige von Halo Saibold gegen den Umweltminister. Lediglich den Eingang der Strafanzeige wegen „Körperverletzung im Amt durch Unterlassung“ bestätigten die Herren geflissentlich und bemerkten lapidar: „Die Anzeige wird unter Aktenzeichen 115 AR VII 34/88 bearbeitet.“

Wie die Grünen natürlich so sind, vermutet Frau Saibold, daß dahinter nur eine „politisch motivierte Zurückhaltung“ stehen kann. Wir als objektive Zeitung hingegen möchten der Staatsanwaltschaft derartiges nicht unterstellen. Vielleicht liegt's ja nur daran, daß sich die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen mit den „heißen Teilchen“ nicht die Finger verbrennen will und ganz einfach wartet, bis sie kalt geworden sind.

lui

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