: VS - Privatdedektei für Mehrheiten
■ SPD-Chef Vogel sieht Mißbrauch des Verfassungsschutzes durch die Mehrheitsfraktion / Berliner SPD fordert parlamentarischen Untersuchungsausschuß und Sondersitzung des Abgeordnetenhauses nächste Woche
Berlin (dpa/taz) - Die Berliner SPD hat am Dienstag erneut die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz beantragt. Er soll aufklären, ob der Verfassungsschutz „Erkenntnisse“ über Abgeordnete und die Tätigkeit von Journalisten gesammelt hat. Gleichzeitig forderte sie für die kommende Woche eine Sondersitzung des Abgeordnetenhauses.
Der SPD-Bundesvorsitzende Hans Jochen Vogel hat gestern die „restlose Aufklärung“ der Affäre verlangt. Wenn auch nur ein Teil der Vorwürfe zutreffe, sei dies ein Skandal, der nicht nur Berlin betreffe, sondern bundesweite Bedeutung habe. Wenn es auch nur zum Teil stimme, daß „ganze Redaktionen“ und geschäftsführende Vorstände beobachtet worden seien, sei der Verfassungsscchutz zur „Privatdedektei für Mehrheiten“ mißbraucht worden. Der geschäftsführende Landesvorstand der SPD in Berlin warf dem Verfassungsschutz inzwischen vor, sich „unter dem Schutz von Geheimhaltungsvorschriften, abgeschirmt von der CDU-FDP Mehrheit im Parlament und unter der direkten Verantwortung des Innensenators Kewenig.... Zu einem unkontrolliert wuchernden Staat im Staate entwickelt“ zu haben. Die Alternative Liste (AL) begrüßte die Ankündigung des Regierenden Bürgermeisters Diepgen (CDU) eine „unabhängige Persönlichkeit“ zu beauftragen, den Verfassungsschutz zu überprüfen. Dies sei „ein erster Schritt in die richtige Richtung“. Ob etwas dabei herauskommen wird ist fraglich. Innensenator Kewenig warf am Nachmittag dem SPD-Vorsitzenden Vogel vor, daß es sich bei den meisten Vorwürfen um Vorgänge aus der Zeit handele, als die SPD die Macht in der Stadt hatte. Seit dem Machtwechsel in Berlin von der SPD zur CDU im Jahre 1981 ist der Verfassungsschutz systematisch zu einem Instrument der Ausspähung des politischen Gegners umgebaut worden.
Ins Zentrum der Beobachtung des Verfassungsschutzes rückten vor allem SPD und AL. Dies geht aus dem inzwischen veröffentlichten Brief des Berliner SPD- Chefs, Walter Momper an den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hervor. (Dokumentation Seite 5) Zunächst war nach dem Regierungswechsel (1981) die parlamentarische Kontrollinstanz des Nachrichtendienstes, der Sicherheitsausschuß des Abgeordnetenhauses, abgeschafft worden. „Bald danach“ (Momper) wurde damit begonnen, Sonderberichte über die SPD anzufertigen. Ging es in den ersten Berichten noch um „Annäherungen“ von Seiten der SEW an die SPD, so lauteten die letzten Überschriften zu den SPD - Sonderberichten nur noch schlicht: „Zusammenwirken von SEW und SPD“. Über die AL gab es zwei unterschiedliche interne Berichte. Der eine stammt von der Anfangszeit der CDU Regierung, wo der VS frei von jeder parlamentarischen Kontrollinstanz agieren konnte. Darin wird festgestellt, die AL sei eine verfassungsfeindliche Partei. Ein späterer zweiter Bericht, ein bischen später geschrieben, behauptet, die Alternative Liste sei nicht verfassungswidrig.
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