piwik no script img

Ritt in den Abgrund

Das Rollenspiel des Senats in der VS-Affäre  ■ K O M M E N T A R

Zum ersten Mal in den letzten Jahren ist der Senat in der Defensive. Die SPD hat die Verfassungsschutzaffäre zu einem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit gebracht, als sich Innensenator Kewenig noch längst nicht von den Folgen der IWF-Tagung erholt hatte. Erst kürzlich bekam er eine Rüge vom Presserat für seine Definition der Pressefreiheit, die „am Tatort schon einmal zurückstehen“ müsse. Nachdem die Öffentlichkeit das Argument „Wahlkampf“, mit dem der Senat die Vorwürfe der SPD abtun wollte, nicht ohne weiteres geschluckt hat, wurde die Strategie geändert.

Das Rollenspiel, das derzeit im Rathaus Schöneberg aufgeführt wird, ist simpel gestrickt. Einer mauert, der andere lenkt ein und verzögert. Kewenig spielt den von ihm geforderten Part des in jeder Hinsicht loyalen Hardliners gut. Alles Lüge, sagt er gradezu. Wird jedoch in den nächsten Wochen bewiesen, daß die SPD recht hatte, muß Kewenig seinen Hut nehmen. Doch das scheint der Preis dafür, jetzt einen Skandal zu verhindern. Würde Kewenig zugeben, daß auch nur die kleinste Ungereimtheit hinter den Türen des Landesamtes für Verfassungsschutz geschieht, eine Lawine käme ins Rollen. Und das ist nun wirklich das Letzte, was der Senat vor den Wahlen gebrauchen kann.

Der Regierende Bürgermeister spielt unterdessen den Part der Schadensbegrenzung gegenüber der liberalen Öffentlichkeit. Die „unabhängige Persönlichkeit“ muß Zeit schinden und die Kritiker beruhigen. Und darauf ist selbst die AL schon reingefallen. Egal wie, der Senat muß sich über die nächsten Wochen retten. Wer auf der Strecke bleiben wird, ist der Innensenator. Der galoppiert als „lonely rider“ in den Abgrund.

Brigitte Fehrle

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen