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BRD baut Geschäfte mit dem Iran aus

■ Genscher beendete seinen Besuch in Teheran / Iran erwägt Aufnahme an projektbezogenen Krediten / Deutsch-iranisches AKW wird fertiggestellt / Genscher setzte sich für politischen Gefangenen ein

Teheran/Berlin (ap/taz) - Eine Prognose über die künftige wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der BRD und dem Iran wollte Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher zum Abschluß seines Aufenthalts in Teheran zwar nicht stellen. Doch allein der Terminkalender für die nächsten Monate gibt Aufschluß über den Stand der Dinge. Anfang Dezember soll bei einer Vorkonferenz in Bonn die geplante Einberufung der gemeinsamen Wirtschaftskommission für die erste Hälfte 1989 vorbereitet werden. Ebenfalls im nächsten Monat wird Bundesbauminister Oskar Schneider Teheran besuchen. Die iranische Führung würde es schließlich begrüßen, wenn demnächst auch mit der Aufwartung Landwirtschaftsministers Ignaz Kiechle zu rechnen wäre.

Wie Genscher auf einer abschließenden Pressekonferenz erklärte, verfolgten viele Firmen Einzelprojekte. Iranische Anfragen lägen für den Bau von Zuckerfabriken sowie für die Reparatur und den Bau von Häfen vor. Kein Problem für künftige Geschäfte sind offenbar die Hermes-verbürgten iranischen Altschulden in Höhe von 80 Millionen Mark. Über diese Frage werde bereits gesprochen, hieß es in diplomatischen Kreisen. Zudem bemüht sich der Iran um bundesdeutsche Kredite, die für den Wiederaufbau verwandt werden sollen. Bislang hatte Iran sich strikt geweigert, internationale Kredite aufzunehmen. Jetzt ist die Teheraner Führung offenbar bereit, für bestimmte konkrete Projekte Schulden zu machen.

Sehr interessiert zeigte sich Iran an der Fertigstellung der beiden deutschen AKWs in Buschir, das nach der iranischen Revolution 1979 „eingemottet“ und im Krieg wiederholt vom Irak bombardiert wurde. In Bonner Regierungskreisen heißt es, daß an eine Wiederaufnahme der Arbeiten nicht zu denken sei, solange kein wirksamer Friedensvertrag vorliege. Dessen ungeachtet prüft Siemens mit iranischen Stellen bereits die Voraussetzungen für eine Fertigstellung der AKWs.

Am letzten Tag seines Besuchs traf Genscher auch mit dem iranischen Parlamentspräsidenten Haschemi Rafsandschani zusammen. Genscher sprach dabei den Fall des Arztes Ahmad Danesh an, der 1983 wegen seiner politischen Aktivitäten festgenommen und nach Angaben seiner Familie in diesem Jahr zu Tode verurteilt wurde. Sein Schicksal schien jedoch den iranischen Stellen unbekannt zu sein, hieß es dazu in Agenturmeldungen. Ganz so neu kann der Fall jedoch zumindest dem stellvertretenden iranischen Außenminister Mohammed Jawad Laridschani nicht sein. In einem Schreiben des Auswärtigen Amts in Bonn vom 19.9.88 heißt es, Genscher habe bei seinem Gespräch mit Larijani am 9.September das Schicksal von Ahmed Danesh erwähnt.

Die Intervention Genschers in dieser Frage ist allerdings, so steht zu befürchten, zu spät gekommen. Am Freitag letzter Woche, zwei Tage, ehe der bundesdeutsche Außenminister seine Reise nach Teheran antrat, wurde ein Verwandter des Arztes benachrichtigt, die Angehörigen könnten zum Evin-Gefängnis kommen und die Sachen abholen. Im Gefängnis hieß es dann, Danesh sei hingerichtet worden. Die Leiche bekam die Familie nicht zu Gesicht.

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