Lobet die Gentechnik

■ Kabinett verabschiedet Eckwerte für Gentechnikgesetz und Riesenhuber jauchzt vor Vergnügen / Gentechnologen in Berlin beim EG-weiten Schulterklopfen

Berlin (taz) - Arbeitsteilung in der Gentechnik: Während gestern in Bonn das Kabinett die „Eckwerte“ für ein neues Gentechnik-Gesetz absegnete, forderten Gen-Technologen in Berlin den „Abbau von Beschränkungen im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen“.

Als Prolog für das Gesetzgebungsverfahren lag gestern dem Kabinett Kohl ein Papier auf dem Tisch, das die „Richtung“ für ein Gen-Gesetz vorgibt. In allgemeinen Absichtserklärungen wird die Schutzbedürftigkeit der Bevölkerung, der Beschäftigten in der Gen-Tec-Industrie und der Umwelt bekräftigt und die Notwendigkeit einer bundesweiten Vereinheitlichung der Genehmigungspraxis für gentechnische Anlagen betont. In der Gentechnik müsse die Unbedenklichkeit der Experimente für Mensch und Umwelt gewährleistet sein, heißt es. Zugleich werden die Funktion des Bundesgesundheitsamts und der Zentral-Kommission für Biologische Sicherheit als Genehmigungsinstanzen festgeklopft. Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen sollen erst erfolgen, wenn in einem Genehmigungsverfahren die Unbedenklichkeit festgestellt worden sei. Zugleich wird die Hoffnung ausgedrückt, daß die „Befürchtungen“ gegenüber der Gen-Technik in der Öffentlichkeit „weiter entkräftet“ werden. Ein Gesetz-Entwurf soll als nächster Schritt im Frühjahr nächsten Jahres vorgelegt werden.

Forschungsminister Riesenhuber bezeichnete auf einer Pressekonferenz die Gentechnik als Schlüsseltechnologie, auch wenn sich die Märkte nicht so schnell entwickelt hätten wie erwartet. Der Minister pries die Anwendungen für Gen-Tec angefangen von maßgeschneiderten Bakterien, die Öl fressen, bis hin zu Pflanzen, die in der Wüste wachsen sollen.

Ganz ähnlich sahen die Vorsitzenden eines europäischen „Workshop Biosafety“ gestern in Berlin die Chancen der Gen -Technik. Sie soll durch neugeschaffene Nutzpflanzen das Nahrungsmittel-Problem lösen und die medizinische Versorgung durch gentechnisch hergestellte Impfstoffe und Arzneien verbessern. Aids- und Krebsforschung seien ohne die Gen -Technik undenkbar. Gen-Technik sei ein „technisch -methodisches Angebot zur Lösung globaler Probleme“.

Forscher aus elf europäischen Ländern hatten auf dem EG -Workshop vor allem über Freisetzungen diskutiert. Die Presse war nicht zugelassen worden, auch Kritiker und Gegner von Freisetzungen störten nicht: „Es gab keine Gegenmeinung“.

„Ergebnis“ des Workshops: Gentechnik bringe hinsichtlich der Risiken keine neue Qualität. Nicht die Methode, also die Gentechnik selbst, sondern nur einzelne Anwendungen und Experimente könnten Gegenstand von Risiko-Abschätzungen und rechtlichen Regelungen sein.

In einer direkt anschließenden Gegen-Pressekonferenz informierte das Gen-ethische Netzwerk über Internas aus dem Workshop und stellte die neuen Sprachregelungen der Wissenschaftler vor. Der Euro-Grüne Benny Härlin kritisierte den Versuch der Bio-Technologen, die Gentechnik als normale Pflanzenzüchtung mit anderen Mitteln zu verkaufen. Auch werde nicht mehr von Freisetzungen gesprochen, sondern von Forschung außerhalb von Schutzräumen. Ungehelligt von Kritikern und Presse hätten sich die Gen-Techniker gegenseitig die Unbedenklichkeit ihres Tuns bestätigt. Die Bundesrepublik sei als das für die Gen-Technik restriktivste Pflaster in Europa auf dem Workshop kritisiert worden.

Manfred Kriener