: Asylbewerber hinter Stacheldraht
■ Auch in Bremen soll es im nächsten Jahr ein Sammellager für politische Flüchtlinge geben / Baracke neben der Giftmüllfirma Plump / Sozialamtsmitarbeiter protestieren gegen miese Unterbringung
Ein Grundsatz Bremer Asylpolitik wird voraussichtlich im Januar des kommenden Jahres der Vergangenheit angehören. Dann wird es auch in Bremen ein Sammellager für Asylbewerber geben, wenn es nach den Plänen der Sozialbehörde geht. Ins Auge gefaßt ist eine Baracke an der Straße „Beim Industriehafen“ (Hafenrandstraße) in Gröpelingen. Sie gehört dem Gesamthafenbetriebsverein und wurde noch bis 1984 von portugiesischen Hafenarbeitern bewohnt.
Das zukünftige Asyllager liegt fernab von den Wohnungen der
Bremer mitten im Industriege biet. Rechts grenzt ein Betonwerk an. Schwere Radlader und Lastwagen mit Betonmischtrommeln kurven dicht vor den Fenstern der Baracke. Nicht weniger abschreckend die Nachbarschaft linker Hand: Die Giftmüllfirma Plump, in deren Anlagen unter anderem die Frachten für die Deponie Schönberg zusammengebraut werden.
In der Holzbaracke gibt es 60 einzelne Zimmer, in jedes soll ein männlicher Asylbewerber einziehen. Mit Rigips -Wänden sind die Zimmer notdürftig voneinander
abgeteilt. Bisher gibt es dort nur eine Dusche eine Gemeinschaftsküche. Allerdings, so war aus der Sozialbehörde zu erfahren, soll die Baracke noch umgebaut werden. Ob der Stacheldraht, der das Lager umgibt, dann auch verschwinden wird, darüber hatte man in der Behörde noch nicht nachgedacht.
Die Baracke soll als „Erstunterkunft“ dienen. Politische Flüchtlinge, die neu in Bremen angekommen sind, und ihren Asylantrag gestellt haben, sollen dort erstmal unterkommen. Wenn ihr Antrag dann in der Zirn
dorfer Bundesanstalt für Asyl registriert ist, werden viele von ihnen in andere Bundesländer umverteilt.
Bisher konnten die Asylbewerber für diese Zeit in Pensionen untergebracht werden. Dort gibt es aber jetzt keinen Platz mehr, weil bei der Ausländerbehörde wegen Personalmangel fast 400 Asylanträge liegengeblieben und nicht an das Bundesamt in Zirndorf weitergeleitet worden sind. Deswegen wurden in den letzten Wochen sogar Asylsuchende aus anderen Bundesländern nach Bremen geschickt. Vor zwei Wochen wurde der „Asylschalter“ bei der Ausländerbehörde personell verstärkt.
Werner Alfke, Sprecher von Sozialsenator Scherf, sieht noch einen anderen Grund für das Asyllager: die allgemeine Wohnungsnot. Noch bis 1986 habe es in Bremen einen Überhang an unvermieteten Sozialwohnungen gegeben, der sei nun weg. Eine Reserve, so erfuhr die taz aus an
derer Quelle, wird bisher jedoch für deutschstämmige „Spätaussiedler“ aus Osteuropa vorbehalten.
Für Alfke rangiert die Baracke in Gröpelingen nur als „Reserve“. Dort sollen Flüchtlinge nur in Notfällen unterkommen: „Ehe wir Zelte auf die Bürgerweide stellen“.
Die Baracken ins Gespräch gebracht hat Hans-Hermann Stöver. Der frühere Leiter des Sozialamts war schon in Pension. Für diesen „Sonderauftrag“ wurde er aus dem Ruhestand geholt.
Auf unterer Ebene des Amtes regt sich jedoch Widerstand: Die MitarbeiterInnen der „Beratungsstelle Mitte“, die für die „Erstunterbringung“ der Asylsuchenden zuständig sind, haben sich am Mittwoch deutlich dagegen ausgesprochen. Auch bei der Arbeiterwohlfahrt, die sich später als „Betreiber“ um das Lager kümmern soll, gibt es Bedenken.
Michael Weisfeld
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen