El Salvadors Linke sucht ein Spielbein

■ Die mit der Guerilla verbündete FDR hat den Wahlkampf begonnen /Bonner Gelder in rechtsradikalen Händen

Im März brachte die rechtsextreme ARENA-Partei den regierenden Christdemokraten eine vernichtende Niederlage bei. Seitdem sind auch die Kriegsfronten in Bewegung geraten: Die Befreiungsbewegung FMLN ist in der Offensive und erwartet, daß sich „die Krise der Entscheidung nähert“. Derweil hat ihr Verbündeter, die Revolutionär-Demokratische Front (FDR), entschieden, daß sie an den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr teilnehmen wird. Das Bonner Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit hat in El Salvador offenbar auf das falsche (christdemokratische) Pferd gesetzt: Eins seiner Projekte steht unter Kontrolle eines ARENA-Bürgermeisters.

Im Halbdunkel der Krypta der Kathedrale von San Salvador deponieren ein paar Männer im gepflegten Anzug Kränze und Blumengestecke. Ein Priester schwenkt den Weihwassersprüher. „Den Märtyrern der FDR“, steht auf den Schleifen. Die Führung der „Demokratisch-Revolutionären Front“ (FDR) gedenkt ihrer Vorgänger, deren Überreste in der Mauer beigesetzt sind.

Acht Jahre ist es her, daß das Exekutivkomitee der FDR, des politischen Verbündeten der Guerilla, von der Armee während einer Sitzung überrumpelt und massakriert wurde. Die Zeiten haben sich geändert: Die Todesschwadronen sind zwar wiederaufgetaucht, aber oppositionelle Spitzenpolitiker sind nicht ermordet worden, seit die meisten exilierten Politiker der salvadorianischen Linken im Laufe des letzten Jahres zurückgekehrt sind.

Gemeinsam mit dem Sozialdemokraten Mario Reni Roldan haben die FDR-Führer Ruben Zamora und Guillermo Ungo die „Demokratische Konvergenz“ (CD) gegründet, um im kommenden März an den Präsidentschaftswahlen teilzunehmen.

„Der Unterdrückungsapparat, der 70.000 Opfer forderte, ist noch erhalten“, verkündet Präsidentschaftskandidat Guillermo Ungo kurz nach der Kranzniederlegung einer Menge, die sich vor dem kahlen Betonklotz der Kathedrale versammelt hatte, „nur wurde er im Laufe der Jahre zentralisiert und ist raffinierter geworden.“ Für die „Demokratische Konvergenz“ ist die Gedenkfeier gleichzeitig der Auftakt ihrer Wahlkampagne, in der mit ungleichen Mitteln gefochten wird.

Die rund 300 Menschen, die über Mundpropaganda von der Veranstaltung erfahren haben, sind ohne Fähnchen und Spruchbänder gekommen, wie sie sonst bei Veranstaltungen der Großparteien verteilt werden. Der Verstärker für das Mikrofon ist der Anstrengung nicht gewachsen und fängt nach einer halben Stunde an zu qualmen. Ungo ruft die franko -mexikanische Erklärung aus dem Jahr 1981 in Erinnerung, mit der diese beiden Staaten FDR und die mit ihr verbündete Guerillafront FMLN als legitime Kräfte des Landes anerkannten.

Die Allianz kämpft noch immer für dasselbe Ziel wie damals

-die einen mit der Waffe, die anderen auf dem Marsch durch die Institutionen. „Das salvadorianische Volk wird siegen“. Applaus.

An die franko-mexikanische Erklärung hatte auch Präsident Napoleon Duarte wenige Stunden zuvor erinnert, als er von der Nationalversammlung die Erlaubnis für seine Reise nach Mexiko einholen mußte. Er wurde zur Amtsübernahme des neuen Präsidenten Salinas de Gortari eingeladen. „Vor sechs Jahren gab es hier keinen mexikanischen Botschafter und keine Handelsbeziehungen - heute haben wir beides. Deswegen ist diese Einladung besonders wichtig“.

Ausgezehrt von Magen- und Leberkrebs, mit schwarzen Schatten im faltigen Gesicht und schütter gewordenem Haar genießt Duarte den politischen Triumph über seinen Rivalen: Ungo wurde nicht nach Mexiko geladen. Duartes Regierung hat die Probleme des zerrütteten Landes einer Lösung keinen Schritt nähergebracht, die Abhängigkeit von den USA vertieft und die Repressionsmethoden nur verfeinert, doch die internationale Anerkennung wurde ihm beschert.

Mit der Glaubwürdigkeit im Inneren ist es weniger gut bestellt: 47 Prozent der Salvadorianer erwarten, daß die Wahl manipuliert wird. Das hat eine Umfrage der renommierten Jesuitenuniversität UCA ergeben. Nach derselben Umfrage liegt die rechtsextreme ARENA mit 26 Prozent nur mehr knapp vor den Christdemokraten (21 Prozent). Die „Demokratische Konvergenz“ kann vier Monate vor dem Urnengang immerhin mit fünf Prozent rechnen und liegt damit an dritter Stelle. 20 Prozent können sich nämlich noch nicht entscheiden, und acht Prozent wollen ihre Präferenz nicht preisgeben.

Julio Adolfo Rey Prendes, der Dissident im Lager der Christdemokraten, bekommt in der landesweiten Umfrage nur ein halbes Prozent. Er hat mit der „Authentischen Christlichen Bewegung“ (MAC) seine eigene Partei gegründet, nachdem er sich als Präsidentschaftskandidat der Christdemokraten gegen Fidel Chavez Mena nicht durchsetzen konnte.

„Kommt Salvadorianer - auf zu Veränderungen“, heißt der einladende Slogan, mit dem die rechtsextreme ARENA um Stimmen wirbt, seit am 19. November der Wahlkampf offiziell eröffnet wurde. Welcher Art diese Veränderungen sein werden, falls die ARENA den nächsten Präsidenten stellt, ist unschwer zu erraten. Einen Vorgeschmack auf Kommendes gab es vor wenigen Wochen in der Nationalversammlung, wo die ARENA -Mehrheit, sekundiert von den Stimmen der Rey-Prendes -Gruppe, ein Veto des Präsidenten gegen die Reprivatisierung der Kaffeewirtschaft überstimmte. Die Verstaatlichung des Außenhandels und der Banken bildeten gemeinsam mit der (längst gescheiterten) Agrarreform die Achse der von den US -Strategen verordneten Reformpolitik Anfang der achtziger Jahre.

Selbst wenn sich innerhalb der ARENA vorläufig die der Wirtschaftsoligarchie nahestehende Gruppe um den geschmeidigen Unternehmersproß Alfredo Cristiani gegenüber der von d'Aubuisson angeführten und mit den Todesschwadronen verflochtenen Miami-Gruppe durchgesetzt hat, erwartet man allgemein, daß mit der Machtübernahme der ARENA auch die politische Gewalt neue Dimensionen erreicht.

Schon jetzt sind die Funde von grausam verstümmelten Leichen wieder an der Tagesordnung. Am Freitag vor einer Woche wurden in der Umgebung von San Salvador an drei verschiedenen Orten entstellte Tote gefunden, die die Handschrift der Todesschwadronen trugen.

Ralf Leonhard (San Salvador)