Der König von Spanien

■ Am 2., 3., 4.12. gab's im Freiraumtheater Gogols „Tagebuch eines Wahnsinnigen“ / Inszenierung: Adolfo Assor

Die Tage des Wahnsinns sind nicht gezählt: Das „Tagebuch eines Wahnsinnigen“ läßt genau an dem Tage die Buchhaltergenauigkeit vermissen, da der Wahnsinn voll zum Tragen kommt.

Der chilenische Schauspieler Adolfo Assor setzt den pedantischen, obrigkeitshörigen Finanzbeamten aus dem zaristischen Rußland Gogols zeitlos in Szene. Denn dieser kleine unsympathische Kriecher, der um alles in der Welt einmal der sein möchte, vor dem gekrochen wird , könnte schließlich als Inbegriff des hierarchisch denkenden Menschen in allen Epochen leben. Daß er Hunde reden hört, deren Briefe liest und sich schließlich für den König von Spanien hält, ist allerdings eher selten.

Nikolai Gogol, der als Vater des russischen Sozialen Realismus gilt und sich dem satirischen Kampf wider eben solche korrupten Schleimer verschrieben hatte, ereilte denkwürdigerweise das gleiche Schicksal wie seinen Hel

den aus dem „Tagebuch“: Er verfiel in langsam sich entwickelnde Geisteskrankheit. Bei dem Protagonisten des sonnabendlichen Stückes aber ist Irrsinn eine nahezu unausweichliche Konsequenz. Hätte unser Kriecher nicht neben seinem kleinen Steuerbeamtendasein noch seine Träume von Größe und Ruhm und die Verachtung für alles, was unter ihm steht, er wäre gar nicht existent. Traum und Wirklichkeit aber geraten aus dem Ruder.

Adolfo Assor inszeniert die wenigen Monate dieses unnützen und unwichtigen Menschens anhand der verschwendeten Abende in dessen Kammer. Das macht er mit solcher Intensität und Einfühlsamkeit, daß tatsächlich Zweifel aufkommen, ob Hunde nicht möglicherweise doch reden und Briefe schreiben. Warum sollte dieser kleine Miesling nicht König von Spanien sein? Warum ist er, wer er ist ? Warum bin ich, wer ich bin? Bin ich die Königin von Spanien?????

KeDe