: Lenin, der Koch und Peter Sakuth
■ Gestern im Parlament: Wie die „Krise der Regierung Wedemeier“ zu Ende ging, der Neubeginn ausblieb, aber wenigstens ein Innensenator seinen Nachfolger fand / SPD-Fraktion einstimmig für Sakuth
„Jetzt geht es rund, sprach der Papagei, und sprang in den Ventilator.“ Dieses Pressezitat zum Erscheinungsbild der SPD während der Regierungskrise, vorgetragen vom Grünen Ralf Fücks, brachte das Bremer Parlament gestern kurze Zeit richtig in Stimmung. Ansonsten boten zumin
dest die SPD-Abgeordneten auf ihren Bänken das gewohnte Bild: Wie die Hühner auf der Stange saßen sie da, lauschten emotionslos dem Bürgermeister und ließen sich auch von der Opposition kaum aus der Ruhe bringen.
Eine Generalabrechnung sollte es werden, mit einem Senat, der
wenig mehr als ein Jahr nach seiner Wahl so in die Krise geschliddert war, daß der Bürgermeister erst eine umfangreiche Senatsumbildung vornehmen wollte, dann aber lediglich einen Senator austauschen und den Ressortzuschnitt ein wenig verändern durfte. „Schrammen“ habe er ab
bekommen, hatte Wedemeier nach der Parteidiskussion bekundet. Davon war gestern weder etwas zu hören noch zu spüren. Ein pflichtgemäßer herzlicher Dank an den zurückgetretenen Innensenator, ein Lob auf die Streitkultur der SPD, dazu Angriffe auf die Oppositionsparteien unter Verweis auf Probleme von CDU, FDP und Grünen in anderen Ländern und auf Bundesebene, damit hatte der Bürgermeister sein rhetorisches Tagessoll fast erfüllt. Blieb noch der Hinweis auf die Leistungen der SPD in Bremen in Vergangenheit und Gegenwart. Von Neubeginn war nichts zu spüren. Aufbruchstimmung gar machte sich nicht einmal bei den Parteifreunden breit, die so höflich waren, den Bürgermeister lediglich gegen Ende der Vorlesung mit Beifall zu unterbrechen.
CDU-Fraktionschef Reinhard Metz dagegen tat so, als hätte er seine Empörung über den „politischen Trümmerhaufen“ über die Zeit gerettet. Eine beispiellose Demontage eines Regierungschefs durch die eigene Partei stellte er fest, wußte, wie die Senatsressorts besser aufzuteilen sind und versprach dafür zu sorgen, daß die WählerInnen auch in drei Jahren noch nicht vergessen haben werden, was Wedemeier ihnen zur Zeit zumute.
Dem Grünen Ralf Fücks fiel angesichts der Unmengen von senatorablen Persönlichkeiten, die die SPD in den vergangen Wochen produziert hatte, immerhin noch ein Lenin-Zitat ein: „Im Sozialismus kann jeder Koch den Staat regieren“ hatte der einst prophezeit. Fücks: „Man möchte fast glauben, in Bremen sei klammheimlich der Sozialismus
ausgebrochen.“ Rhetorische Schlenker, die auch CDU und FDP zu tischtrommelnder Heiterkeit veranlaßten.
Als FDP-Sprecher Jäger dem Bürgermeister als dritter Oppositionsredner vorhielt, versagt zu haben, hielt es einen Gutteil der Abgeordneten nicht mehr auf ihren Sitzen. SPD -Jetzt-Doch-Fraktionschef Claus Dittbrenner stellte pflichtgemäß fest, daß in der neuen Stärke des Bürgermeisters zusammen mit Partei und Fraktion einen Weg gefunden zu haben, eine neue Stärke liege und war ansonsten froh und gegen Neuwahlen.
Die nämlich wollten CDU/FDP/Grüne und weil die Landesverfassung einen solchen Weg aus der Krise nicht vor geht, sollte sie per Antrag geändert werden. Dieser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Mehrheitlich gewählt wurde dagegen Peter Sakuth
als Meyer-Nachfolger in den Senat. Mit neuem dunklen Anzug war er der Debatte auch dann regungslos gefolgt, als die Opposition feststellte, daß Sakuth selbst für Wedemeier nicht erste Wahl gewesen sei. Während er es dann doch wurde, saß er auf seinem Stuhl und wischte sich, damit die Hand zum Schwure trocken ist, immer wieder die Hände an der Hose ab. Die Aufregung war überflüssig. Alle 54 SPD-Abgeordneten stimmten für ihn und gültig. Wie das geht, hatte Parlamentspräsident Klink vorher zur Vorsicht ausführlich erläutert: Stimmzettel exakt einmal falten, in den Umschlag stecken und wenn's schiefgeht - neuen holen.
hbk
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