DDR-BürgerInnen bleiben skeptisch

■ Meldungen über Reiseerleichterungen zurückhaltend aufgenommen

Ost-Berlin (dpa) - Viele DDR-BürgerInnen, ob sie nun Verwandte in der Bundesrepublik haben oder nicht, verfolgten die Meldungen über bevorstehende Reiseerleichterungen in den Nachrichten aus dem Westen eher mit Zurückhaltung. „Erst mal abwarten“, „das will ich erst mal schwarz auf weiß sehen“, „wer weiß, wie die Praxis aussieht“. So und ähnlich lauteten viele Kommentare zu den Meldungen, wonach noch in diesem Monat im DDR-Gesetzblatt konkrete neue Bestimmungen über Reisemöglichkeiten, Verweigerungsgründe und Bearbeitungsfristen veröffentlicht werden sollen.

Dies soll für Besuchsreisen und Übersiedlungen gelten, setzt aber weiterhin West-Verwandtschaft voraus. Enttäuschte Anmerkung von BürgerInnen, die „ohne“ sind: „Wir haben eh‘ nichts von einer Regelung dieser Art“. Sie sind skeptisch, denn was Bonner Politiker und West-Medien schon alles an Verbesserungen und Fortschritten für die DDR-Bürger kurz oder langfristig angekündigt haben, ist nicht immer eingetroffen.

Bisher ist die Praxis der DDR-Behörden bei der Genehmigung von Besuchsreisen und Übersiedlungen undurchschaubar für die Antragsteller, allerdings viel großzügiger als die veröffentlichten Bestimmungen. Die Regierungsanordnung vom 15.Februar 1982 regelt „Reisen in dringenden Familienangelegenheiten auf Einladung von Verwandten“. Als Gründe für BürgerInnen unterhalb des Rentenalters, mit einer Einladung einen Antrag zu stellen, gelten bestimmte Geburtstage ab dem 60., Sterbefälle, Eheschließungen usw. Seit 1986 gibt es erweiterte Reisemöglichkeiten. Heutige Praxis: Es gibt Ehepaare, die in diesem Jahr schon zweimal und öfter im Westen waren, andere Bürger, die Freunde besuchen durften, manche für vier Tage, manche für zwei Wochen. Wer nicht schüchtern war, hatte auch schon mit einer „Tante“ Erfolg, die bei der Einladung als solche fungierte. Andere, die glaubten, reiseberechtigt zu sein, gehen leer aus. Eine Beschwerde- und Einspruchsinstanz gibt es bisher nicht.

Ein neues DDR-Gesetz, das den Personenkreis der Reiseberechtigten erweitert und zum Beispiel auch 50.Geburtstage als Grund sanktioniert, muß nicht zu insgesamt mehr Reisen führen. Etliche DDR-BürgerInnen waren halt auch bisher schon ohne gesetzlichen Anspruch zu einem 50.Geburtstag im Westen. Viele, die bisher durch Geschick und nicht nachvollziehbare Gründen zu „Tanten„-Besuchen kamen, könnten künftig leer ausgehen.