: Hin und Her um Wehrdienstzeit
■ Koalitionsstreit um 1986 beschlossene Wehrdienstverlängerung auf 18 Monate / FDP ist für Verschiebung und verweist auf „stille Reserve“ von bis zu 700.000 Wehrpflichtigen / SPD für Aufhebung der Regelung
Bonn (dpa/taz) - Zwischen der CDU/CSU und der FDP ist ein Koalitionsstreit über die bereits 1986 beschlossene Wehrdienstverlängerung ausgebrochen. Das FDP-Präsidium möchte eine Verschiebung der zum 1.Juni nächsten Jahres in Kraft tretenden Regelung. Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Würzbach sieht dagegen keine sachlichen Gründe, davon abzurücken, den Grundwehrdienst von 15 auf 18 Monate zu verlängern. Seine Kollegin Agnes Hürland-Büning kündigte gestern an, die Frage einer Verschiebung werde im Verteidigungsministerium geprüft. Als Anzeichen dafür, daß die Verlängerung doch noch verschoben werden könnte, werden auch die Äußerungen des Regierungssprechers gewertet. Friedhelm Ost hielt es am Mittwoch vor der Presse in Bonn für möglich, daß Bundeskanzler Kohl mit Verteidigungsminister Scholz nach dessen Rückkehr aus den USA über dieses Thema sprechen werde. Ost hält auch ein Koalitionsgespräch für denkbar.
Die FDP-Führung war am Dienstag einhellig zu der Auffassung gelangt, daß größere Gerechtigkeit bei der Einberufung geschaffen werden müsse. Die Zahl von 400.000 bis 700.000 nicht einberufenen Wehrpflichtigen als „stille Reserve“ für die geburtenschwachen Jahrgänge sei unzumutbar, sagte die FDP-Generalsekretärin Schmalz-Jacobsen in einem Zeitungsinterview.
Nach Ansicht des SPD-Vorsitzenden Vogel erfordere die konkrete Sicherheitslage und die Entwicklung im Ost-West -Verhältnis keine Präsenzstärke mehr wie zur Zeit des Kalten Krieges. Seine Fraktion werde die Aufhebung der Wehrdienstverlängerung beantragen. Unabhängig davon sei es auch gesellschaftspolitisch unverantwortlich und unter dem Gesichtspunkt der Wehrgerechtigkeit empörend, einen „Stau“ von Hunderttausenden von Wehrpflichtigen in Kauf zu nehmen.
Die Grünen fordern eine Verkürzung des Grundwehrdienstes auf zwölf Monate. Die Bereitstellung einer „stillen Reserve“ wegen zukünftiger Personalprobleme zeige, daß eine Verlängerung der Wehrpflicht völlig überflüssig sei. Nach Ansicht der Grünen übt eine Verkürzung des Grundwehrdienstes mittelfristig „einen Zwang zur Reduzierung des Streitkräfteumfangs aus“. In dem Antrag ihrer Fraktion an die Bundesregierung heißt es: „Damit würde die Bundesrepublik einen wichtigen Impuls für eine konventionelle Abrüstungsdynamik leisten, zumal die Bereitschaft zur Reduzierung der Wehrdienstzeit auch in den Ländern des Warschauer Vertrages wächst“.
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