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Kondomfabrik in Dorfmolkerei

■ Bremerhavener Professor betreibt geheimnisvolle Silikonproduktion in alter Dorfmolkerei / Nachbarn befürchten Gesundheitsgefahren

Büttel heißt ein verschlafenes Dörfchen an der Unterweser, nicht weit vom südlichen Stadtrand Bremerhavens entfernt. In der stillgelegten Molkerei herrscht seit Januar dieses Jahres eine geheimnisvolle Geschäftigkeit. Die Fenster sind mit weißer Farbe undurchsichtig gemacht. Nachts und an den Wochenenden hören die Nachbarn dumpfes Arbeitsgeräusch. Fässer mit Salzsäure und Chemikalien der Firma

Dow Chemikal stehen auf dem Hof. Daneben parkt häufig ein weißer Mercedes mit Bremerhavener Kennzeichnen. Besitzer dieses Autos, Betreiber und einziger Arbeiter in der geheimnisvollen Fabrik: Dr. Manfred Riederer, Professor für Verfahrenstechnik an der Hochschule BHV. Name der Firma: Hochtemperatur-Silikonprodukte GmbH.

Peter Heidemann, Verwaltungsdirektor der Samtgemeinde

Loxstedt, zu der auch Büttel gehört, weiß von nichts. Dem Bütteler Ortsvorsteher Claus von der Geest versprach er, sich zu informieren. Auch Juornalisten gegenüber blieb er bedeckt. Gefährliche Stoffe würden in der alten Molkerei nicht gelagert oder verarbeitet, habe Professor Riederer versichert.

An einem Samstag gegen 14 Uhr. Nur ein Mann werkelt in der Halle. Er sei der Betreiber, sagt er dem Journalisten, seinen Namen will Professor Riederer aber nicht nennen. Was er da tue, sei „Betreibergeheimnis“, sagt er, aber „völlig ungefährlich“. Säure verarbeite er keine. Die Fässer mit der Aufschift „Salzsäure - 33 Prozent“ neben ihm seien leer. Die Pfützen auf dem Kachelboden bestünden aus reinem Kühlwasser aus einem defekten Behälter. Er verarbeite Silikone, sagt Riederer, und stelle nach eigens entwickelten Verfahren Grundstoffe für Kondome, für künstliche Augenflüssigkeiten und für Stoßdämpfer her. Seine Produktion sei völlig legal und beim Landkreis Cuxhaven angemeldet.

Beim Gewerbeaufsichtsamt

des Kreises weiß man allerdings von nichts. Der Chemiker Wolfgang Frenzer: „Mir ist von einem derartigen Betrieb in Büttel nichts bekannt. Schon eine Nutzungsänderung des alten Molkereigebäudes hätte über unseren Tisch gehen müssen“. Der Leiter des Hochbauamtes, Rudolf Schneider: „Der Betreiber hat im Januar einen Bauantrag gestellt, jedoch trotz mehrfacher Anmahnung bis heute nicht die erforderlichen Unterlagen eingereicht“. Weil Professor Riederer bereits produziere, stelle das zumindest eine Ordnungswiedrigkeit dar. Deshalb habe das Amt ihm eine Frist bis Ende November gestellt und ihm die Versiegelung seines Betriebes angedroht, sagte Amtsleiter Schneier. Eine Verfügung sei allerdings noch nicht ergangen.

Silikon-Fabrikant Riederer, bisher einziger Angestellter seines Werks, zu den Vorwürfen: „Ich habe das Know-how für 1000 Arbeitsplätze. Wenn man mich hier nicht haben will, in diesem Gebiet mit hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität, dann packe ich morgen meine Sachen zusammen“.

ix

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