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Zwei-Klassen-Recht auf See

Mit der Einführung des Zweitregisters für die deutsche Seeschiffahrt wird Rassismus an Bord legalisiert  ■  Von Martin Kempe

Berlin (taz)- Auf deutschen Seeschiffen wird ab 1. Januar 1989 der Grundsatz „gleiche Arbeit - gleicher Lohn“ abgeschafft und eine rassistische Zwei-Klassen-Gesellschaft eingeführt. Nach der am Freitag vom Bundestag gegen die Stimmen von SPD und Grünen beschlossenen Einführung eines zweiten Seeschiffahrtsregisters ist es den Reedern erlaubt, ausländische Seeleute nach den in ihren Heimatländern geltenden Tarifen zu bezahlen. Während deutsche Seeleute nach wie vor nach deutschen Tarifen gezahlt werden müssen, werden die meistens aus Ländern der Dritten Welt stammenden ausländischen Seeleute in Zukunft auf rund ein Drittel des bisher zu zahlenden Lohns gedrückt werden können.

Angebliches Ziel der von der Regierungskoalition betriebenen Einführung des Zweitregisters ist es, den Trend zur Ausflaggung deutscher Schiffe zu stoppen. Derzeit arbeiten auf deutschen Schiffen noch rund 17 300 Seeleute, davon etwa 16 000 Deutsche. Viele Reeder lassen ihre Schiffe inzwischen unter Billigflaggen laufen, weil sie damit nicht den deutschen Tarifbestimmungen unterliegen. Auf den rund 950 noch unter deutscher Flagge fahrenden Schiffen, dies ist die ausdrückliche Begründung für das jetzt beschlossene Gesetz, sollen durch das dadurch ermöglichte Lohn-dumping bei Ausländern rund 250 Millionen Mark an Lohnkosten gespart werden.

Die Gewerkschaft ÖTV kündigte gestern eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz an. Die Ötv und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) hatten sich erbittert gegen die Einführung des Zweitregisters gewehrt. Sie gehen davon aus, daß auf Grund des jetzt beschlossenen Gesetzes Dreiviertel der noch beschäftigten deutschen Seeleute ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Übrig bleiben dann, so die Vorstellung der deutschen Reeder, nur noch die priveligierten Arbeitsplätze, das „Fach- und Führungspersonal“, die ausdrücklich den Deutschen vorbehalten bleiben sollen.

ÖTV und DAG kritisieren, mit dem Zweitregister werde die deutsche Seeschiffahrt auf Kosten der deutschen Seeleute saniert und an Bord der Schiffe eine Rassenpolitik eingeführt. Auch die vier Küstenländer Bremen, Schleswig -Holstein, Hamburg sowie das CDU-regierte Niedersachsen lehnen das Gesetz mit unterschiedlichen Begründungen ab.

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