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Von gleichberechtigtem Warentausch weit entfernt

Leistungsschau der Türkei in Hamburg dokumentiert die Schwierigkeiten ihrer Exportindustrie nach einem EG-Beitritt / Importe doppelt so hoch wie Export  ■  Von Karl Nolte

Eine „Bazar-Atmosphäre“ wolle man den Besuchern vermitteln, hatte der türkische Wirtschaftsprofessor Gökhan Bahsi jenen geladenen Journalisten mitgeteilt, die über die „erste Erlebnis- und Leistungsschau der Türkei in der Bundesrepublik“ (Bahsi) berichten sollten.

Viel mehr als Atmosphärisches haben die Besucher dieser in Hamburg noch bis zum kommenden Sonntag, 11.Dezember, laufenden Messe tatsächlich nicht zu erwarten. Unter der beeindruckenden Präsenz starker Polizeikräfte rund um den Veranstaltungsort hat sich in der Messehalle 4 eine Ausstellung eingerichtet, die einen ebenso realistischen wie ernüchternden Überblick über die türkischen Verhältnisse bietet.

Auf gut 3.500 Quadratmetern verteilt, finden sich hier Waren, die jeder Türkeibesucher von Visiten dortiger Kramläden her kennt: getrocknete Linsen, Dosengemüse, Feigen, Pistazien, Haselnüsse, goldzisellierte Tee-Services, bunte Tücher, in grellen Farben gestrickte, silberdurchwirkte Pullover, Meerschaum-Pfeifen, Schmuck (der Silberring mit Mercedesstern als Statussymbol für zehn Mark) und vielerlei mehr. Dazwischen ein paar Stände, in denen türkische Farb-TVs und Radio-Recorder zu bewundern sind. Kurz: Vielleicht erstrebenswerte Güter für die mittellose anatolische Landbevölkerung; jedoch nichts, was den verwöhnten bundesdeutschen Konsumenten in Kaufrausch versetzen könnte.

Nicht leichter wird es dem bundesdeutschen Unternehmer gemacht, der hier nach Partnern für Geschäfte sucht. Die türkische Industrie präsentiert sich mit einer Handvoll Produkte, die die EG bereits im Überfluß besitzt: Stahlbleche und -röhren kleineren Durchmessers sind, folgt man der Schau, Maßstab für das Leistungsvermögen dieses Landes. Hinzu kommt, daß die Art der Präsentation bei weitem nicht an moderne europäische Maßstäbe heranreicht: Fast alles wirkt ein wenig geschlampert, die Waren liegen unsortiert in den Regalen: die Tomatenkonserve neben dem handgeknüpften Läufer. Während patrouillierende Grün -Uniformierte an die noch ungelösten innenpolitischen Probleme der Türkei gemahnen - immer noch gehen Polizei und Geheimdienst mit großer Härte gegen die Opposition außerhalb des bürgerlichen Spektrums vor - stellt die Leistungsschau auf dem Hamburger Messegelände unter Beweis, wie meilenweit die türkische Wirtschaft nach wie vor den EG-Standards entfernt ist.

„Die Türkei ist ein riesiger Markt für europäische Produkte“, erklärt der türkische Generalkonsul Faruk Logoglu. Was für Produkte die Masse der türkischen Konsumenten bei Monatseinkommen um 100 Mark und einer Inflationsrate von 74 Prozent denn aus der EG kaufen soll, weiß allerdings auch der Konsul nicht. Gökhan Bahsi, Wirtschaftsprofessor in der Hansestadt und Initiator der Ausstellung, sieht in den bescheidenen Löhnen seiner Landsleute „ein Problem“. Andererseits erkennt Bahsi gerade darin einen Vorteil, wenn er Joint Ventures mit türkischen Partnern propagiert: „Mittelgroße bundesdeutsche Betriebe liefern das Know-How, wir bieten dafür billige Arbeitskräfte“, wirbt Bashi. Das hat mit dem in der europäischen Gemeinschaft angestrebten gleichberechtigten Güter- und Warenaustausch natürlich nicht viel zu tun.

Klar ist allerdings, daß es die Türkei ohne fremde Hilfe kaum schaffen wird, den industriellen Anschluß zu vollziehen. Die Handelsbilanz mit Industrie-Nationen muß darum negativ bleiben, solange nicht Geld für Direktinvestitionen in großem Umfang Richtung Bosporus fließt: Durch den Export von Haselnüssen lassen sich negative Handelsbilanzen eben nicht ausgleichen. Nach wie vor exportiert die BRD mit einem Volumen von vier Milliarden Mark doppelt so viele Güter in die Türkei, wie sie von dort bezieht. Diese schlimme Bilanz wird zwar durch Überweisungen der 522.000 türkischen Arbeitnehmer in Westdeutschland ausgeglichen, gekauft werden von den Devisen jedoch kaum Maschinen, sondern Mangelprodukte des täglichen Bedarfs: Autos, Kühlschränke und Waschmaschinen. Und das wiederum wird in der EG hergestellt.

Wirtschaftsprofessor Gökhan Bahsi meint, die Lösung der Probleme seines Vaterlandes und eine Möglichkeit gefunden zu haben, um bundesdeutsche Investoren in die Türkei zu locken: „Unser Land braucht professionelle Werbung.“ Dazu muß man selbstverständlich auch „die Medien sympathisch behandeln“.

Draußen, vor den Toren des Messegeländes, demonstrieren türkische Oppositionelle unterdessen für ideelle Reichtümer, die sie in ihrer Heimat auch heute noch vermissen: Meinungsfreiheit und Menschenrechte.

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