: Taschen voller Böller
■ Beim Kauf von Knallkörpern brauchen Jugendliche nur älter auszusehen, als sie sind / Drogerie-Geschäftsführerin braucht kein Bußgeld zu zahlen
Wenn am 31. dieses Monats mit viel Farbe, Rauch und Lärm das alte Jahr verabschiedet und die bösen Geister des neuen Jahres vertrieben werden, sind auch diesmal wieder viele Menschen von der Knallerei ausgeschlossen, und zwar alle Jugendlichen. Denn nach den gesetzlichen Bestimmungen dürfen Böller und andere Feuerwerkskörper an Jugendliche unter 18 Jahren nicht verkauft werden. Trotzdem haben viele von ihnen in den Tagen vor Sylvester die Taschen voll davon. Und die VerkäuferInnen machen ihnen den Erwerb auch nicht besonders schwer. Wegen eines solchen Falls mußte sich gestern die 55jährige Renate H., Geschäftsführerin einer Bremer Drogerie, verantworten.
In ihrer Filiale am Buntentorsteinweg sollen am 30. Dezember des letzten Jahres Chinaböller und andere Knallkörper an drei Jugendliche unter 18 Jahren verkauft worden sein. Dafür war bereits ein Bußgeld von 200 Mark verhängt worden, gegen das die Geschäftsführerin Einspruch eingelegt hatte. Und sie klagte dann auch heftig ihr Leid: Das Geschäft sei hektisch und die KundInnen unvernünftig. Jugendliche würden oft ein falsches Alter nennen, Erwachsene die gerade
erworbenen Knaller an unberechtigte Jugendliche weitergeben, zum Teil noch im Laden.
Trotzdem könnten Pannen eigentlich nicht passieren: Die MitarbeiterInnen würden in jedem Jahr im Rahmen von Betriebsversammlungen auf das Geschäft vorbereitet, die Altersgrenzen sehr genau beachtet.
Wie das in der Praxis aussieht, sagte dann der Mann der Geschäftsführerin, eigentlich als ihr Entlastungszeuge vor dem Gericht angetreten: „Wenn der Kunde sagt, daß er 18 ist, und wir keinen Zweifel daran haben, dann verkaufen wir auch.“ Die verblüffende Begründung:„Im Gesetz steht nirgends geschrieben, daß wir verpflichtet sind, uns den Ausweis zeigen zu lassen.“
Richter Hogenkamp mochte dieser Auffassung zwar nicht folgen setzte das Verfahren gegen die Drogeriegeschäftsführerin aber trotzdem aus - „mit einem unbefriedigenden Gefühl“, wie er betonte.
Nun ist das Staatssäckel wieder um 200 Mark leichter, Jugendliche wissen, wie sie an Knaller kommen, und die Geschäftsführerin konnte ihren guten Ruf retten - nach immerhin 40jähriger Tätigkeit für den Sylvesterkrach. oma
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