piwik no script img

Zauberhaftes Fernsehen

■ In Italien ist das Fernsehen fesselnd

Italien, du hast es besser. Dort ist die Sonne wärmer, sind die Menschen offener, das Essen besser und das Fernsehen spannender. Während in der Bundesrepublik selbst der Fernsehpfarrer keinen Gläubigen zu gefalteten Händen bewegen kann, bei Frank Elstners Rubbelshow die Zuschauerhände untätig bleiben, bei Thommy Gottschalk höchstens mal beim Buntstiftelutschen die Zunge in Bewegung gerät und bei den verlogenen Politikerstatements nun wirklich nicht von Verzauberung der Zuschauer gesprochen werden kann - in Italien wird tatsächlich gezaubert.

Beweis ist der neunjährige Giuste Durante aus Palermo. Ruhig in der mütterlichen Küche vor der Glotze sitzend, blieben dem Bub nach der Show des Fernsehzauberers Casella die Hände verflochten. Die Mutter versuchte es mit Massagen, die herbeigerufene Polizei riet zum heißen Wasserbad vergeblich.

Selbst die Behandlung im Krankenhaus blieb ohne Erfolg. Die Finger blieben steif verflochten, vom Druck des obenauf liegenden Daumens verfärbte sich der untere langsam schwarz. Fehlanzeige war auch der Exorzismus-geschulte Psychiater. Vergeblich plapperte der Kleine: „O Herr, befreie mich vom Einfluß des Bösen“.

Rettung brachte erst der von der Polizei aufgetreibene Zauberer Casella, dessen Fernsehshow „Fantastico“ elf Millionen Menschen regelmäßig verfolgen. Per Telefon von Rom aus entzauberte Casella den in Tränen aufgelösten Giuste mit der in den Hörer gesprochenen Enthypnotisierungsformel. „Das ist mir noch nie passiert“, entschuldigte sich Casella. Über einen fehlgeschlagenen Trick vergaß er, seine „Befreiung vom Händeverflechten“ für diejenigen ins Mikrophon zu sprechen, die vor dem Fernseher sitzend sein Experiment mitmachten.

Wie es heißt, wollen auch die bundesdeutschen Fernsehmacher auf Anraten des Arbeitskreises „sicheres Fernsehen“ Lehren aus dem Vorfall ziehen. Ein eigens engagierter Wissenschaftler soll jeweils zum Sendeschluß eine Enthypnotisierungsformel sprechen: „Aufwachen“.

Gn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen