piwik no script img

Er hat gesagt: „Geh wieder zu Pätzold“

Steffen Telschow über seine kurze Karriere als V-Mann des Berliner Verfassungsschutzes / „Ich habe keine Personen genannt“ / „Ich sollte bis nach der Wahl stillhalten“  ■ I N T E R V I E W

taz: Wann war dein erstes Treffen mit dem SPD-Abgeordneten Pätzold?

Telschow: Das weiß ich nicht mehr genau, es war Anfang November. Nach dem ersten Treffen mit Pätzold hatte ich Kontakt zu meinem V-Mann Führer „Max“. Er fand das gut, daß ich zu Pätzold gegangen bin, in der Person eines Unschuldigen. Er hat mich dann definitiv aufgefordert, wieder hinzugehen, und er hat gesagt, ich soll weitermachen.

Hat er das wörtlich gesagt?

Er hat gesagt, geh wieder hin.

Vom zweiten Treffen hast du ihm auch berichtet?

Nach dem zweiten Treffen haben wir uns gleich zwei Stunden später getroffen. An jedem Treffpunkt, der stattgefunden hat, haben wir uns für einen nächsten Treffpunkt verabredet. Er hat gesagt, es wäre gut, wenn wir uns am selben Abend noch treffen würden. Das haben wir auch gemacht.

Du hast ihm genau berichtet, was du mit Pätzold beredet hast?

Er wollte Informationen darüber, wieweit Pätzold Bescheid weiß. Er hat sich dabei auch Notizen gemacht. Pätzold hat natürlich keine Informationen, keine Quellen preisgegeben. Das erste Treffen war Anfang November, das zweite und dritte Treffen im Büro des Abgeordneten jeweils etwa eine Woche später.

Hast du vom VS finanzielle Vergütungen bekommen?

Ja. Im September habe ich immer Geld bekommen. Das wurde zusammengerechnet auf den ganzen Monat. Und das, was ich im September verbraucht habe, hätte ich jeden Monat kriegen sollen. Das wären 600 Mark gewesen. Dazu kommt noch, was ich an Fahrtkosten hatte, was ich an Büchern mitgebracht habe, Spesen.

Was für Bücher solltest du zum Verfassungsschutz bringen?

Zum Beispiel war ich am Chamissoplatz auf einem Straßenfest. Da lag an einem Bücherstand von den Revolutionären Zellen ein Handbuch aus, das sollte ich bringen.

Hast du von anderen gewußt, die für den VS arbeiten?

Bei der Veranstaltung im „Ex“ (einer Kneipe im alternativen Gewerbehof „Mehringhof“, d. Red.) zum Verfassungsschutz zum Beispiel, da wurde mir gesagt, daß außer mir noch acht Mann da waren. Ich habe mich dort umgesehen, aber ich konnte beim besten Willen keinen davon herausfiltern.

Wann hattest du den letzten Kontakt zum Verfassungsschutz?

Den letzten Kontakt zu „Max“ hatte ich fünf Tage nach dem letzten Gespräch mit Pätzold.

Wie lief denn dein erster Arbeitskontakt mit dem VS?

Nach dem Treffen zusammen mit den Franzosen hat der VS-Mann „Max Fock“ gesagt, daß er meine Akten überprüfen will, ob ich vielleicht von einem östlichen Geheimdienst komme. 14 Tage später hat er sich gemeldet, Ende August, und für den 1. September in der Raststätte am Funkturm einen Treffpunkt mit mir ausgemacht. Dort hat er mir die Gegenaktionen zu der IWF- und Weltbanktagung Ende September als erstes wichtiges Aufgabenfeld genannt. Ich sollte Leute aus der Szene beobachten und kennenlernen. Er wollte mir auch Bilder von Leuten zeigen, an die ich rankommen sollte. Während des IWF haben wir uns jeden zweiten Tag, manchmal alle Tage getroffen.

Als der Verdacht gegen dich durch die Presse ging, welche Verhaltensweisen hat er dir aufgetragen?

Er hat mir gesagt, daß ich ruhig bleiben soll. Ich sollte so reagieren, als ob ich es nicht wäre. Er meinte, ich hätte ja eine prima Legende, wäre gerade aus der DDR gekommen, und da würde niemand glauben, daß ich für den Verfassungsschutz arbeite. Er hat immer wieder gesagt, daß es keine Möglichkeit gibt, daß etwas aus dem „Haus“ (dem Landesamt für Verfassungsschutz, d. Red.) dringt und daß von meiner Person nur drei Mann wüßten, einer davon heiße Wagner. Ich sollte bis zum 29. Januar, also bis nach der Wahl, stillhalten. Dann wollte er sich wieder bei mir melden. Ich habe ihn auch gefragt, was passiert, wenn ich gegen den Baum renne? Da hat er einfach gesagt, du rennst nicht gegen den Baum. Da wußte ich Bescheid, daß ich dann ganz alleine dastehe.

War es Abenteuer-Romantik, hast du dich verleiten lassen, oder weshalb bist du freiwillig zum Verfassungsschutz gegangen?

Ich weiß, daß sich das nicht entschuldigen läßt. Ich habe mich schon im Osten verschiedentlich mit Organisationen wie RAF und Rote Brigaden beschäftigt. Ich habe dort ein Buch gelesen, in dem auch der „Fall Urbach“ beschrieben war, der sich innerhalb der RAF vom Verfassungsschutz hat kaufen lassen. Der sich dabei völlig idiotisch verhalten hat und aufgelaufen ist. Da habe ich mich gefragt, inwieweit es nicht möglich ist, das andersrum zu machen. Zum Beispiel zum VS gehen und dann die Beziehung abbrechen. Das war eigentlich mein Ding, das ich machen wollte. Das hört sich zwar unheimlich naiv an, es war aber auch einigermaßen gut durchdacht.

Hast du irgendwelche Personen genannt oder gefährdet?

Ich habe keine Personen genannt, keine Adressen und keine Telefonnummern. Im Prinzip hat der Verfassungsschutz durch mich nur Informationen gekriegt, die er auch durch irgendeinen anderen hätte bekommen können. Ich kann aber persönlich nicht richtig einschätzen, in wieweit meine Informationen die eine oder andere Person, den einen oder anderen Kreis doch noch besser einschätzbar gemacht haben. Richtig losgegangen wäre es eigentlich erst im kommenden Frühjahr, wenn ich in die „zweite Ebene“ gekommen wäre. Im Prinzip haben sie mir eine Akte mit soundsovielen Fotos vorgelegt, und ich mußte sagen, wen ich kenne und wen nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen