Stinkt, macht Lärm und ist teuer: Autos in Berlin

■ Das Deutsche Institut für Urbanistik veröffentlichte Studie über privaten Autoverkehr in Berlin / Autofahrer kosten Steuerzahler mehr als der öffentliche Nahverkehr / Prozentual mehr Autos als in London'Paris, New York oder Tokio / Vorschlag: Kfz- und Mineralölsteuer verdoppeln

Selbst bei Anrechnung aller Steuern kostet in Berlin der private Autoverkehr die Allgemeinheit jährlich über die Hälfte mehr als der Öffentliche Personen-Nahverkehr (ÖPNV) der BVG. Der Anteil des Individualverkehrs liegt an der Spree höher als in Städten wie London, Paris, New York oder Tokio. Im Vergleich zu den beiden westdeutschen Millionenstädten Hamburg und München hat Berlin auch die üppigsten Verkehrsflächen. Zu diesen überraschenden Ergebnissen kommt eine bisher erst zum Teil veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu), die der Verkehrsplaner Dieter Apel für die Enquete-Kommission Bodenschutz des Abgeordnetenhauses fertigte.

Nach Apels Rechnung flossen 1985 unter dem Strich 911 Millionen Mark in den öffentlichen Nahverkehr. Demgegenüber betrugen die gesamtwirtschaftlichen und sozialen Kosten des Autoverkehrs im gleichen Jahr 1,490 Milliarden Mark. Der Verkehrsplaner Apel widerlegte durch eine ganz einfache Rechnung die landläufige Betrachtungsweise, nach der vor allem der ÖPNV ein Faß ohne Boden sei. Er veranschlagte auch die indirekten Folgekosten des Individualverkehrs, die das Land Berlin beziehungsweise die Allgemeinheit tragen muß. Dazu zählte der Planer in erster Linie die fast ausschließlich von den Autofahrern durch Lärm und Dreck verursachten Umweltschäden, die er im Berechnungsjahr mit 830 Millionen Mark bezifferte. Doch dem Difu-Forscher zufolge gehen noch eine ganze Reihe anderer Ausgaben primär auf das Konto des privaten Pkw-Verkehrs, ohne daß die Autofahrer dafür zur Kasse gebeten werden. Dazu zählt Apel die Kosten für Neubau und Unterhaltung von Straßen und Parkgaragen in Höhe von 340 beziehungsweise 80 Millionen Mark. Nächstgrößerer Posten in dem Untersuchungsjahr 1985 war mit 410 Millionen Mark ein hochgerechneter Betrag für die Inanspruchnahme von Straßen, Wegen und Plätzen. Als Folgekosten von Verkehrsunfällen ermittelte der Wissenschaftler 280 Millionen Mark.

Daß der Pkw-Verkehr als das „aufwendigere und umweltschädlichere Verkehrsteilsystem“ an der Spree stärker als der öffentliche Nahverkehr subventioniert werde, sei „ein besonderer ökonomischer und ökologischer Mißstand“, kritisiert der Verkehrsplaner zusammenfassend. Unter „bereinigten“ Marktbedingungen müßte die Mineralölsteuer eigentlich um das Fünffache angehoben werden.

Gleichwohl würde nach der Darstellung Apels schon eine weniger restriktive Finanzpolitik zugunsten des ÖPNV sowie des Fahrrad- und Fußgängerverkehrs helfen, die immensen Kosten des Nahverkehrs zu senken. In einem entsprechenden Szenario schlägt er zur Durchsetzung des umweltpolitischen Verursacherprinzips konkret eine Verdoppelung der Kfz- und Mineralölsteuer vor. Die von Apel angenommenen positiven Folgen wären beachtlich: Sogar bei im wesentlich unveränderten Tarifen stiegen ein Drittel der Autokutscher dann auf die BVG oder aufs Fahrrad um - vorausgesetzt, es gäbe keine neuen Schnellstraßen, weniger Parkplätze und eine konsequente Bevorzugung des ÖPNV. Eine solche Verlagerung weg vom Auto zu unterstellen, sei durchaus realistisch: „Der Pkw hätte dann einen Verkehrsanteil, wie er etwa in Paris oder London besteht.“ Apel ist davon überzeugt, daß unter den geschilderten Rahmenbedingungen auch der Pkw-Bestand selbst in Berlin um etwa zehn Prozent zurückgeht. Analog sinke die Inanspruchnahme von Verkehrsflächen. Erfüllten sich die Prophezeiungen des Difu-Verkehrsplaners, brächen für die BVG trotzdem rosige Zeiten an: Auf der Basis des angenommenen Fahrgastzuwachses um ein Drittel würde der Kostendeckungsgrad von derzeit rund 37 auf 45 Prozent steigen.

Thomas Knauf