: Eine Uni für Frauen?
„Wir reden jetzt nur noch von StudentInnen“, stellt die Frau am Asta-Telefon der „BeFreiten Universität“ (ehemals Freie Universität Berlin) klar. Tatsächlich wurde noch nie so sehr auf die sprachliche Miteinbeziehung von Frauen geachtet wie in diesem Streik. Von „-Innen“ ist überall die Rede, die weibliche Endung auf fast jedem Flugblatt zu lesen. Auch inhaltlich macht sich „die Bewegung“ für die Frauen stark: ein „vorläufiger Resolutionsentwurf“ des neugegründeten „Inhaltsrates“ fordert die 50-Prozent -Quotenregelung für Frauen. Ein weiterer „Resolutionsvorschlag für die BeFreite Universität“ fügt dem die Forderung nach Etablierung von Frauen- und feministischer Forschung an allen Instituten hinzu.
Die FU scheint über Nacht zu einer Uni der Frauen geworden sein: täglich findet im „Cafe Furiosa“ ein Frauen-Plenum, mehrmals in der Woche Frauen-Vollversammlungen statt. Das OSI (Otto-Suhr-Institut) heißt jetzt allgemein ISI (Ingrid -Strobl-Institut). Die SonderpädagogInnen benannten ihr Institut nach Frieda Kahlo, die EthnologInnen wählten Winnie Mandela als Namenspatin. An fast allen Fachbereichen haben sich Frauengruppen etabliert, die Forderungen für die Umgestaltung von Forschung und Lehre in den jeweiligen Fachbereichen erarbeiten. Überall finden autonome Frauenseminare statt: von der feministischen Literaturwissenschaft über ein Seminar zum Thema „weibliche Kriminologie“ bis zum Frauenseminar „Gyn/ökologie“ bei den MedizinerInnen. Für streikgestreßte Studentinnen bietet eine Frau „Aromatherapie“ an.
Wer durch die besetzte Rostlaube, das zentrale Universitätsgebäude der FU streift, kann jedoch auch auf folgendes stoßen: „Besetzerinnen! Gestern nacht 10. 12. 1988 haben vier Typen versucht, eine Frau zu vergewaltigen. Geht nachts nicht alleine durch die Uni oder aufs Klo!“ hat jemand auf den Spiegel im Frauenklo geschrieben. „Das ist nicht der einzige Fall, da könnten wir eine Liste von machen“, heißt es im Frauen-Plenum. Oder: „Du Lesbe!“ wurde der Redebeitrag einer Frau während einer Vollversammlung kommentiert. Auf der NaturwissenschaftlerInnen-VV wurde eine Frau ausgebuht, die Frauenforderungen vortragen wollte. „Viele Frauen fanden es beschissen, daß profilierungssüchtige Männer in den VVs die Diskussion totlabern. In allen Fachbereichen fühlen sich Frauen benachteiligt und haben Mühe bzw. werden gehindert, ihre Forderungen durchzusetzen“, heißt es im ersten „Frauen und Lesben Info“. Auch die autonomen Frauenseminare stoßen auf Widerspruch: „Ist das nicht Ausgrenzung?“ hat jemand neben die Ankündigung eines Seminars über feministische Geschichtswissenschaft geschrieben. Immer lauter werden die Stimmen, die den Studentinnen, die explizit einen Frauenstandpunkt vertreten, vorwerfen, durch ihr Verhalten die Bewegung zu spalten. Die Vorwürfe kommen dabei nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen. Am meisten stört die Frauen, daß über ihre inhaltlichen Vorstellungen gar nicht erst diskutiert wird und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den Frauenforderungen gering ist: „Das wird sofort abgewürgt. Wir fordern - stopp, aus - die wissen ja gar nicht, war wir überhaupt fordern. Wenn Sie nur hören 'Frauenforderungen‘, dann ist Schluß.“ Diskutiert wird zur Zeit zum Beispiel die rechtliche Verankerung von ausschließlich Frauen zugänglichen Seminaren, Ausstattung von Bibliotheken mit feministischen Lehrmaterial, paritätische Besetzung der Berufungskommissionen und die Aufhebung der Altersgrenzen für Promotion und Habilitation für Frauen. Auch an der Technischen Universität haben sich inzwischen in mehreren Fachbereichen Weiberräte gebildet, nachdem eine von Frauen vorgelesene Resolution während einer Uni-Vollversammlung regelrecht niedergebuht worden war. In einer Stellungnahme der Weiberräte zu den „unverschämten Reaktionen und Unmutsäußerungen (hauptsächlich von Männern)“ während der Uni-VV heißt es: „Die Uni gehört uns! - So nicht Jungs!“
Frauke Langguth
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