: Thea Bock-betr.: GAL-Konflikt, taz vom 1o./13. und 15.12.88
betr.: GAL-Konflikt, taz vom 10., 13. und 15.12.88
1. Thea Bock, alleinerziehende Mutter mit GAL-Fulltimejob hat es nie verstanden, mit dem von der GAL verordneten Einheitslohn auszukommen, es aber auch nie gewagt, das vor mehreren hundert Leuten zuzugeben und um mehr Geld zu bitten.
Auch die GAL beklagt seit langem die demütigende Situation, daß Menschen beim Sozialamt nachweisen müssen, wofür sie noch Geld brauchen.
2. Thea Bock, die als Abgeordnete Diäten bekommt, führt also dieses Geld nicht regelmäßig und nicht in voller Höhe an die GAL ab. Im Herbst 1988 errechnen die grünen Kassierer eine Differenz von 54.000 Mark seit 1982. Da Thea nicht zahlen kann, muß sie beim Notar einen Schuldschein „mit sofortiger Vollstreckbarkeit“ unterschreiben.
Auch die GAL fordert in Hamburg flächendeckend die Einrichtung staatlicher Schuldenberatungsstellen, die unter anderem dazu beitragen sollen, daß verschuldete Leute weder real noch juristisch dem sofortigen Zugriff der Gläubiger ausgesetzt sind.
3. Derselbe Vorstand der GAL, der sich wegen der Satzung außerstande sieht, Thea Bock ihre „Schulden“ ganz oder teilweise zu erlassen, hält sich für berechtigt, eine Nebenabrede mit Thea zu beschließen, wonach sie (wegen ihrer Schulden) kein politisches Mandat bei den Grünen mehr bekommt.
Gegen den deswegen erhobenen Vorwurf der Erpressung und des „Berufsverbots“ gibt die Mitgliederversammlung dem Vorstandsbeschluß höhere Weihen: Sie beschließt, daß es grundsätzlich Berufspolitiker „mit all den widerlichen Konsequenzen“ nicht geben soll. Auch Amateure wie R.Trampert heben dafür ihre Hand.
4. Die Mitgliederversammlung der GAL lehnt mit großer Mehrheit einen vollständigen Schuldenerlaß für Thea Bock ab, obwohl selbst Vorstandsmitglieder, die an den Absprachen mitgewirkt haben, erklären, daß ihrer Kenntnis nach Thea Bock das Geld aus nachvollziehbaren und nicht vorwerfbaren Gründen verbraucht habe und jetzt nicht zurückzahlen könne.
Die GAL fordert nach wie vor einen sofortigen und vollständigen Schuldenerlaß für die Länder der „Dritten Welt“. Geht Thea jetzt nach Tansania?
Martin Schmidt
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