: Wo man alles am Boden macht
■ Ein Gespräch mit der in Zyklen arbeitenden Künstlerin Miriam Cahn über Maschinen, Keller, Autobahnen und Delphine
Angela Lautenbach und Olaf Arndt
Frau Cahn, der Zyklus scheint uns ihr zentrales Arbeitsprinzip zu sein, vor allem deshalb, weil der Zyklus ein Wort ist, das man zweimal lesen kann: Sie arbeiten mit Bilderfolgen, die sich nach ihrer Regelblutung ordnen lassen, von ihr bestimmt werden.
Cahn: Wenn ich „zyklisch arbeiten“ sage, meine ich das nur in bezug auf den weiblichen Monat, vom ersten Tag bis die Blutung kommt. Während der Blutung ist Pause. Sonst rede ich von Serien, weil es falsch verstanden wird. „Zyklus“ innerhalb der Kunst bedeutet etwas anderes als das, was ich meine. Ich gebrauche es vorsätzlich einseitig.
Sie schreiben, daß Sie die „etwas andere Energie“ vor ihrer Blutung für Ihre Arbeit nutzen. Nun kennt man aus der Kunstgeschichte hinlänglich Beispiele für Produkte, die unter körperlichen Ausnahmezuständen wie Wut, Müdigkeit oder Rausch entstanden sind. Gibt es da einen qualitativen Unterschied?
Es ist eigentlich etwas sehr Ähnliches. Bei uns wird das negativ angeschaut - Frauen gelten als hysterisch vor ihrer Blutung. Es wird sogar als Krankheit bezeichnet, als „prämenstruelles Syndrom“, was es ja nicht ist. Es wird immer als Demütigung benutzt und nicht positiv als Energie. Nur ist es eben deshalb anders, weil es nicht mit Drogen oder anderen äußeren Einflüssen geschieht, sondern durch den Körper. Und ich finde es wichtig, daß Frauen darauf achten. Ich habe gelesen, daß es mal Sportlerinnen gegeben hat, die zwar nicht Olympiasiegerin geworden sind, aber doch sehr weit gekommen sind - die haben versucht, ihre Hauptwettkämpfe in die Phase vor der Blutung zu verlegen, weil die um mehr Kraft wußten in dieser Zeit.
Erst in letzter Zeit setzen sich Künstler mit dem Thema Menstruation auseinander, wie es zum Beispiel ein Film von Birgit und Wilhelm Hein zeigt. Gibt es einen zwingenden Zusammenhang zwischen Medium und Thema in diesem Fall?
Ich glaube, schon, in der klassischen Malerei z.B. wäre es gar nicht denkbar. Wenn ein Künstler oder eine Künstlerin beschließt, nicht noch mal eine gängige Ästhetik zu wiederholen, wählt man das Medium sehr vorsichtig, und wenn ich ein klassisches wähle, wie meine Zeichnung, dann im Hinblick darauf, daß ich es nicht klassisch benutzen will. Wenn Sie sich die gegenwärtige Malerei anschauen, kommen dort solche Themen wie in dem Film von den Heins nicht vor, außer peinlich. Peinlich ist mir z.B., wenn da ein bestimmter feministischer Stil propagiert wird.
Der überwiegende Teil Ihres Werkes ist mit schwarzer Kreide auf Papier entstanden. Die jüngeren Serien haben den Titel „Lesen in Staub“, was zumindest grammatikalisch eine rätselhafte Konstruktion ist...
„Lesen in Staub“ ist ein Verfahren. Warum kann man das im Deutschen nicht sagen? Das geht doch, Lesen in Staub, da ist doch nichts falsch!
„In“ wie „in hinein“?
Ja eben!
Das ist aber nicht, was man mit Lesen verbindet, lesen ist doch eher „von...ab“, oder?
Leider, das stimmt aber gar nicht. Wenn man ein spannendes Buch liest, steigt man doch rein. So ist das gemeint.
Es ist zuallererst das Verfahren: Wenn ich am Boden arbeite und den Kreidestaub auf die Papiere verteile, dann liegt das drauf, und ich zeichne, indem ich mit den Fingern hineingehe und mit Kreidestücken, und insofern habe ich auch die Kontrolle nicht, daß ich nämlich nichts sehe durch den Staub, nicht durch das Auge kontrollieren kann, was genau abläuft. Etwas, das sehr beliebt ist in der Kunst, daß man die ach so wichtigen Ränder analysiert und noch besser macht, das fällt schon mal weg. Oder das Hell-Dunkel, weil das Ganze ist eigentlich dunkel, wenn ich es mache. Und da tritt dieses Moment von Lesen ein, wo ich eigentlich eher Zeichen setze und lese, ähnlich wie beim Lesen in Teeblättern. Daß es nur Teeblätter sind, und, wenn man es kann, alles mögliche daraus lesbar ist, das ist interessant, oder?! Als Hinweis, als Rückblick oder als Erinnerungsverfahren.
Es erinnert sehr an die Methoden der Kalligraphie, kopfüber am Boden zu malen. Das gehört ja in eine Kultur der Mitte, der Betonung des Sinnlichen...
Ich habe immer Scheu, mich auf andere Kulturen zu beziehen, mache das auch möglichst selten, merke aber, wenn ich über Kalligraphien was lese, daß sie dem entsprechen, was ich mache. Der Bewegungsablauf ist ähnlich: Konzentration schnell... - und wieder raus! Und fertig, keine Korrektur, keine Augenkontrolle. Aber ich bin ein Mensch von hier, mich interessiert ausschließlich die westliche Kultur. Was hier abläuft, wo man aneckt. Was kann ich als Künstlerin aufdecken? Ich habe das sehr drin, daß die Kunst dazu da ist, andere Seiten zu zeigen.
Die Konzentration ist vielleicht das Wesentliche, aber ich habe z.B. nie Meditation gemacht, das hat sich alles aus der Arbeit heraus entwickelt und aus der Überlegung, wenn ich als Frau Kunst mache, daß das wirklich anders aussehen muß. Weil es sonst gar nicht mehr stimmt, daß Frauen und Männer verschiedene Leute sind.
Geht es beim Malen am Boden nur um eine andere Haltung oder hat der Boden für sich schon eine besondere Bedeutung... „Mutter Erde“ vielleicht...?
(lacht)Nee. Wenn ich am Boden arbeite, bin ich näher am Boden, gut, und näher am Blatt. Und auch näher an mir selber: weil - am Boden sitzen, das ist eine Erinnerung an die Art, wie man als Kind gezeichnet hat, wo man immer alles am Boden macht. Diese Nähe ist mir wichtig. Ich weiß nicht, ob bei so einem Linoleum und Betonfußboden wie hier, der auch in meinem Atelier ist, noch viel von „Mutter Erde“ zu spüren bleibt.
Ich habe mal ein Atelier im vierten Stock gehabt, und da hat es nicht funktioniert!
Ich arbeite am liebsten im Parterre, und jetzt habe ich sogar was im Keller. Je tiefer hinunter, desto lieber ist mir das.
Aber „Mutter Erde“ - zum einen mag ich solche Begriffe nicht, um Gottes Willen, und dann steht eine Menge intellektueller Arbeit hinter dem, wie ich arbeite.
Sie fixieren Ihre Zeichnungen nicht. Wie wichtig ist für Sie die Haltbarkeit Ihrer Arbeit?
Das finde ich vollkommen unwichtig.
Sie haben in einem Ihrer zahlreichen „Pläne“ die Idee entwickelt, in einem Abbruchhaus Bilder aufzuhängen, als wollten Sie letzte Zeichen setzen. Was war Ihre Intention?
Eine Zeitlang habe ich Arbeiten gegen die vorherige Arbeit gemacht. Die Sache mit der Nordtangente, diese Autobahn, das war sehr hart, weil es gegen Beton gezeichnet war, rein vom Material her schon sehr hart. Und auch von der Situation her: in der Nacht, mitten im Winter. Danach habe ich Sachen hergestellt, die sehr leicht waren, eben die in der Luft hängenden Papiere für dieses Haus. Die sind, wenn man draufzuging, so wegmarschiert, davongeweht. Das hat ganz, ganz feine Sachen ergeben.
Das Abbruchhaus war genau aus dem Grund wichtig. Da standen nur noch so ein paar Wohnungen rum. Ich habe es nicht ausgeführt, ich hätte es nur eine Nacht lang gemacht, dann fotografiert und wieder abgehängt. Ich habe dieses Haus gesehen und gedacht: Das wäre ein guter Ort, um das mal gründlich zu probieren. Einen Ort in Anspruch zu nehmen, den niemand mehr will.
Nicht zu warten, bis jemand einem gnädigerweise etwas zur Verfügung stellt, sondern die Orte selbst auszuwählen. Wenn es ein neues Haus wäre, das leersteht, würde ich es auch nehmen. Es geht mehr darum, illegal umzugehen, sein Zeug auszuprobieren und zu dokumentieren. Das mit der Autobahn war natürlich eher politisch gedacht, weil die Stadt wirklich Kopf gestanden hat wegen der Autobahn. Es war politisch gedacht, ist aber ganz woanders gelandet, weil diese Räume irrsinnig schön waren am Schluß. Es wandelt sich dauernd durch die Arbeit. Ich liebe Autobahnen immer noch nicht, aber ich habe sie so gesehen, wie ich sie gebrauchen kann. Und es wär nicht schlimm, wenn sie so gebraucht würden, oder?!
Sie setzen sich in Ihren Texten und Bildern mit einem weiteren, ähnlich zentralen Widerspruch wie dem zwischen Haltbarkeit und Vergänglichkeit auseinander: dem zwischen klassischem, äußerem Abbild, für das Sie Akt und Porno als Beispiele nennen, und der eigenen, inneren Gestalt - Wesen, Figur, wie Sie sagen. Wenn man diese Polarisierung akzeptiert, hat es entscheidende Folgen für das, was noch malbar ist. Mit anderen Worten: Kann ein Mann das Wesen einer Frau überhaupt nicht darstellen?
Heutzutage muß er zumindest in Frage stellen, wie es bisher gehandhabt wurde. Interessant ist für mich, was dann abläuft. Ich probiere diese Dinge auch, in den kleinen Pornoheftchen, die Sie in der Ausstellung sehen können, ich finde es nur wahnsinnig schwierig, nicht in ein Klischee zu verfallen. Die Pornoheftchen sind das klassischste hier, die sind gekonnt gemacht. Viel weiter bin ich in dieser Frage noch nicht gekommen.
Männer würden, wenn sie sich mit derselben Frage beschäftigen, an dieselbe Barriere kommen.
Auch ich schaue lieber einen schönen Mann an als einen häßlichen. Aber das ist ja eigentlich ungerecht. Denn da fallen alle häßlichen aus, und die haben vielleicht irrsinnige Qualitäten. Was ist das überhaupt mit dem „schön“ und „häßlich“. Genau so was untersucht die interessantere Kunst.
Wie heißen denn die löblichen Ausnahmen der Kunstgeschichte, die „interessantere“ Sachen produzieren?
Zum Beispiel Valie Export. '74 bis '76, als ich mich engagierte und begann, einen anderen Kunstbegriff für mich zu entwickeln, und mich für Beuys interessierte und ganz besonders für Ulrike Rosenbach.
Das Video Glauben Sie nicht, daß ich eine Amazone bin war ein Schockvideo nicht nur für mich. Zu sehen, wie jemand so einen Titel macht, sich hinstellt und sich selbst abschießt und damit das gesamte alte Frauenbild abschießt, und all das zusammen ist eine Kunst und nicht einfach eine polemische, politische Manifestation, sondern ein sehr schönes Video. Und Valie Export hat auch sehr schöne Sachen mit diesem Brust- und Tastkino. Ein wahnsinniges Zeug, wo's mir jetzt gerad noch kalt den Rücken runtergeht.
Es gibt einen Wortkettentext von Ihnen, da heißt es „Zwangsleben, Zorn, meine Maschine“...
Ich habe in der Zeit vorwiegend Maschinen gezeichnet und hatte diese Unterteilung in „Männerwelt“ und „Frauenwelt“, und in der Männerwelt gab es ausschließlich Maschinen und Hochhäuser, World Trade Center und Kriegsmaschinen, Fernsehkästen, Computer und so'n Zeug. Das habe ich mit Genuß gezeichnet. Ich finde nicht, daß das tote Materie ist. Die Maschine ist schließlich die Fortsetzung der Hand. Ich bin fasziniert von diesen Maschinen.
Dieser neue Bomber, „Stealth“, ist eine absolut schöne Skulptur. Von einem bestimmten Aspekt aus betrachtet ist dieses Dings eine Supererfindung, dieser flache Bomber, der nur Flügel hat. Man kann nicht sagen, es sei tote Materie, sie sind vom Menschen geschaffen und haben infolgedessen eine gewisse Verwandtschaft.
In Klassische Lieben hatte ich viel Kriegs- und Handelsschiffe, teilweise auf Blättern, fünf Meter hoch, die durch die Arbeit am Boden sehr komische, schiefe Ansichten boten. Es war der männliche Teil, aber durch die Machart war es nicht ganz wahr, man hat ja meine Finger drin gesehen. Wenn eine Behauptung sofort wieder zurückgenommen wird, das können die Leute nicht ertragen. Die wollen immer Eindeutiges.
Besonders im Hinblick auf sogenannte „Frauenkunst“ wird häufig Emotion als Gegensatz von Präzision gedacht, ein Begriffspaar, das im Kern mit der Qualität von künstlerischem Schaffen zu tun hat. Wie sieht es aus mit der Erkenntniskraft von Malerei?
Erstens: Den Begriff „Frauenkunst“ finde ich grauenerregend. Dann: Die Unterteilung, daß die Frauen gefühlvoll seien und die Männer intellektuell, finde ich absolut hanebüchen! Vielleicht ist es möglich, daß Frauen auf eine andere Art wahrnehmen. Aber nicht emotioneller oder näher an der Natur und all der Mist. Aber wie anders, das kann ich Ihnen vielleicht mit neunzig sagen.
Es gibt eine interessante These, die Annegret Stopczyk in einem Artikel in der taz entwickelt, daß das vorpatriarchale Weisheitsorgan die Gebärmutter sei. Sie bringt das in Verbindung mit dem Orakel in Delphi, das auf den gleichen Wortstamm zurückgeht, und mit Delphinen, die ihren Namen nach ihrer gebärmutterförmigen Figur erhielten und vermutlich in eins zu setzen sind mit den Drachen, die in späteren Mythen vom Heroen erschlagen wurden.
Dieses Orakel war eine zentrale Institution der Erkenntnis, die nicht von männlichen Strukturen bestimmt war. Denken die, daß solche Thesen progressiv gelesen werden können als eine Strategie gegen das abstrakte, rationalistische Denken der Männer, das mit Wissenschaft und Technik lebensfeindlich und zerstörerisch über uns gekommen ist?
Dort, etwa zur Zeit Delphis, ist sicher diese Wandlung passiert: Das Niederschmettern der Macht der Frauen. Ich finde das Nachdenken darüber wichtig, bin nur etwas skeptisch seit einer Weile, zu sagen: Die Männer sind das machtvoll Intellektuelle und dank ihnen haben wir diese schreckliche Welt, wie sie heute aussieht. Es gibt eine andere Philosophin, Christina Türmer-Rohr, die hat eine Mitschuld-Theorie entwickelt, die habe ich auch: Zum Beispiel - Der Soldat kann ja nur in den Krieg, wenn er zu Hause eine Mami hat oder ein Haus zu schützen hat. All diese Männer, wie in dem Hotel, in dem ich gerade wohne, die unfähig sind, etwas allein zu machen, sich allein einen Schlips zu binden, die haben alle zu Haus eine Hausfrau. Die könnten so gar nicht arbeiten, diese 70-, 80-Stunden-Woche, wenn da nicht eine Frau wäre.
Nehmen wir mal die Atombombe als Zeichen. Man kann nicht sagen, die Männer sind schuld, daß sie erfunden wurde. Sie wurde erfunden, weil es eine völlig entfremdete Arbeit hat geben können. Weil es diese Arbeitsteilung gegeben hat.
Die Mitschuld sehe ich darin, daß all diese Frauen einverstanden sind, dem Mann das Haus zu hüten und den Mann als Bub zu erhalten. Das ist jetzt sehr versimplifiziert.
Klar, die Frau wurde entmachtet. Aber sie ist schon sehr lange damit einverstanden. Es ist ja auch bequem. Es gibt schließlich den Aspekt, daß die Hausfrau auch eine Macht ausübt. Ganz bestimmt, indem sie den Mann innerhalb des Hauses völlig unselbständig läßt. Man könnte sich eine Gesellschaft vorstellen, wo es das Problem gar nicht gibt und sich jeder sein Zeug selbst glättet.
Dennoch, wie ist das mit dem „Weisheitsorgan Gebärmutter“...?
Im Grund ist das eine furchtbare Bezeichnung, ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Wenn es nur die Gebärmutter ist, ist es ein wenig mager!
Mager? - Wie dürfen wir das verstehen? - (Lachen) Stopczyk sagt, in der Natur herrscht die Spirale als Form vor, von der Fingerkuppe bis zum kosmischen Wirbel. Alles ist krumm bis hin zur Gebärmutter, so daß, als die ersten geometrischen Überlegungen angestellt wurden, man die mathematische Linie entwickelte und dafür kein natürliches Vorbild hatte. Was einen Körper hat, ist „schief“, also konnten diese Ideen nicht hierher stammen. Die als körperlos gedachte Gerade ist eine männliche Erfindung.
Also, ich muß Ihnen sagen, ich glaube nicht an so Zeug. Diese Frau Stopczyk... - im Bezug auf Delphi mag das stimmen. Aber ich habe mal im Musee de l'Homme in Paris eine spannende Entdeckung gemacht: Ich habe dort sehr interessante Häute gesehen von nordamerikanischen Indianern.
Das hat mich zunächst von der Arbeitsweise sehr gefesselt, weil dort immer Frauen und Männer gemeinsam dran gesessen haben. Auf den Häuten sind für sämtliche realistischen Darstellungen die Männer zuständig und für alle abstrakten die Frauen. Das ist doch genau das Gegenteil, oder? Man kann also auf keinen Fall sagen: Das ist global so! Das ist wirklich wahr, da sind Zacken und Zicken und gerade Striche von den Frauen, während die Männer ganz lieb, manchmal comicstripartig, bisweilen fast naturalistisch Jagd- und Kriegsszenen darstellen, weil das ihr Bereich ist.
Dazu muß ich allerdings sagen, daß man bei der Entwicklung männlich-rationalistischer Strukturen einen einzigartigen, wenn auch sehr erfolgreichen Sonderweg des Abendlandes annimmt. Ich glaube, davon geht Frau Stopczyck ebenfalls aus.
Aber damit kommen wir auf unsere Frage zurück, ob solche Entwürfe eine Chance haben gegen die männlichen Konzepte.
Auf alle Fälle. Sehen Sie, es gibt ja auch feministische Wissenschaft. Nicht nur Philosophinnen, auch in der Gentechnologie.
Na. Wenn das den Wandel bringt...
Immerhin, vor zehn Jahren gab es das noch gar nicht.
Ist das nicht nur die Angleichung an den Mann, die uns Rita Süssmuth schon an ihrem Äußeren vorführte, die Übernahme in deren Betrieb? Gibt es eine Möglichkeit, als Gegner der Wissenschaft in die Wissenschaft zu gehen, ohne daß die Wissenschaft sofort aufhören muß, das zu sein, was sie eigentlich einzig und allein sein kann?
Ich glaube, daß es möglich ist, aber sehr schwierig. Rita Süssmuth ist ein gutes Beispiel. Ich finde die in Ordnung. Sie ist gebunden an ihre Partei, und darum läuft es schief ab. Innerhalb ihres Postens aber... - sie hatte da ja keine Kompetenzen - daran ist sie gescheitert schlußendlich. Innerhalb der Zeit jedenfalls hat sie schon unglaublich viel Zeugs gemacht. Für eine CDU-Frau, das muß man sich mal vorstellen! Das würd ein CDU-Mann nie machen, weil er nicht muß.
Die Frage stellt sich, glaube ich, nicht so: Ist Rita Süssmuth „Für 'ne Frau gut“, wie es ein alter Punksong ironisch sagt. Auch nicht: Gibt es Wissenschaftler, die meinen, man müsse die Wissenschaft anders angehen. Wir meinen, man kann nicht in die Wissenschaft gehen und sie kritisieren, damit sie sich bessert. Stichhaltige Kritik von innen heraus bedeutet ihre Auflösung. „Ein bißchen anders“ ist im Ergebnis - wie „ein bißchen schwanger“ -, genausoschnell oder etwas langsamer, das gleiche.
Hui, das ist ein komplizierter Fall und sagt genau etwas über den Grund, warum ich diese Atombomben da male. Ich nehme „Atombombe“ als Zeichen für Wissenschaft, mit der man zum Schluß nicht mehr zu Rande kommt. Eine großartige Erfindung! So toll finde ich die Wissenschaft, daß ich sage, da kann ich verstehen, wenn Leute in einem Labor unter den politischen Umständen wie damals in Los Alamos eine Atombombe erfinden. Und ich kann es sehr gut verstehen, daß man dann voller Bewunderung vor dieser Superwaffe hockt. Weil sie die Möglichkeit war, Hitler zu stoppen.
Sie ist faszinierend, aber wenn sie losgeht, zerstört sie die gesamte Menschheit, und heraus kommen hinterher wahrscheinlich irgendwelche Würmer, Zombies oder so was. Die Menschheit lernt eh nur über Katastrophen!
Wenn so ein Ding wirklich mal losgeht und nicht nur so wie Tschernobyl und überall überhaupt nur noch Zombies rumlaufen, dann haben sie kapiert, daß etwas im Kern verkehrt war. Vorher nicht.
Und warum sind ausgerechnet diese „Atombomben„-Bilder die ersten in ihrem Werk seit langer Zeit, die bunt sind?
Für mich ist Farbe etwas Totes. Der Staub ist etwas Lebendiges. Diese reinen Farben, Cyan, Magenta und Gelb, sind für mich tot gerade wegen der Atombombe, denn die Leute reden ja immer von diesen wahnsinnigen, faszinierenden Farben. Man kann Hiroschima-Berichte lesen, in denen Kinder von diesen Farben reden und vom blauen Licht. Darum ist Farbe jetzt, heute, für mich etwas Totes.
Und da spricht man immer von „schwarzer Technik“ und der „bunten Fülle des Lebens“...
Aber das stimmt eben gar nicht. Der Fernsehkasten ist eigentlich sehr farbig, wunderbar, nicht?!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen