: Natur in der rechten Ecke
■ Naturschützer empört über TU-Umfrage / Studienprojekt sucht nach grün- braunen Gemeinsamkeiten / Naturschützer fürchten „Gesinnungsschnüffelei“
200 Menschen, die in der Stadt als Naturschützer bekannt sind, erhielten vergangene Woche einen Fragebogen von der Technischen Universität. „Grundideen und Motivation“ einzelner Naturschützer wollte Thies Schröder, Student der Landschaftsplanung, laut Begleitschreiben ermitteln. Seitdem klingelt bei ihm und im Institut häufig das Telefon. Viele der Angeschriebenen sind empört. Sie würden in die rechte Ecke gestellt, fürchten sie.
Schröder bat die Angeschriebenen für ein Studienprojekt am Institut für Landschaftsökonomie, 30 Aussagen zu bewerten. Beispiele: „Die meisten unserer gesellschaftlichen Konflikte wären gelöst, wenn man die Gauner, Asozialen und Schwachsinnigen loswerden könnte.“ Fast schon gängig, wenngleich terminologisch durchaus faschistoid besetzt: „Die Zerstörung der Natur ist ein Ergebnis unserer kranken Kultur.“ Passend zu aktuellen Debatten in der Alternativen Liste: „In der Bundesrepublik können nicht noch mehr Ausländer leben, die ökologischen Probleme bei noch mehr Menschen wären zu groß.“
Sämtliche 30 Fragen zielen auf das Verhältnis der Naturschützer zu rechten bis nationalsozialistischen Auffassungen. „Es gibt keine differenzierten Wahlmöglichkeiten“, beklagt eine Naturschützerin. Ihr Verdacht: „Gesinnungsschnüffelei“.
Die These, es gebe beachtliche grün-braune Gemeinsamkeiten, sei „vernünftig“, verteidigt TU-Professor Eisel die Umfrage. Sowohl in der Geschichte des Naturschutzes als auch in der modernen Literatur fänden sich Aussagen wie in dem Bogen aufgelistet. Schröder sieht eine fast logische Affinität zwischen „autoritären Mustern“ und einem Weltbild, in dem die Natur zur unbezweifelbaren Instanz gerät. Schröder selbst lange naturschützerisch tätig - will sich mit seiner Arbeit als „Korrektiv“ in die Debatte einschalten. Er sieht eine „gewisse politische Gefahr“ in einem unhinterfragten Natur-Begriff.
Zum Teil echte liberale Überzeugungen, zum Teil „Abwehr“ sieht Eisel hinter den empörten Reaktionen. Er will jetzt diejenigen Befragten nochmals anschreiben, die Antworten auf die Umfrage verweigerten. Schröder stellt jetzt schon die „Tendenz“ fest, daß die Befragten für fast inhaltsgleiche Aussagen unterschiedliche Bewertungen vergaben - je nachdem, wie drastisch oder scheinbar harmlos sie formuliert waren.
hmt
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