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Der Preis für die Marktwirtschaft ist leider real

Daimler/MBB: Ein unordentlicher Einstieg, ein außerordentlicher Aufstieg und ein ordentlicher Ausstieg / Mit dem wirtschaftspolitischen Sündenfall in die 90er  ■  Von Dietmar Bartz

Irgendeiner der Tage im neuen Jahr wird in die Annalen der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte eingehen: der Tag, an dem die Beteiligung von Daimler-Benz an MBB endgültig besiegelt ist. Die Liste der Probleme, die auf dem Weg dorthin noch zu lösen sind, ist ellenlang, wird uns noch weit über den Vertragsabschluß hinaus beschäftigen und interessante Erkenntnisse über die „Industriepolitik“ bieten, für die der Begriff Stamokap „Staatsmonopolistischer Kapitalismus“ - wohl immer noch die passendste Bezeichnung ist.

Dennoch - die entscheidenden Weichen zur Neuordnung des BRD -Anteils an der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie sind im ablaufenden Jahr gestellt worden.

Die Marktwirtschaft hat sich selbst ad absurdum geführt, und wer von ihr nichts anderes erwartet hatte, mußte doch verblüfft sein darüber, in welchem Maße diese Entwicklung ausgerechnet einer Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP gelungen ist. Die Frage nach der Verantwortung der SPD für den Airbus-Irrsinn oder nach Alternativen zum Mega-Deal ist dabei zweitrangig - so sehr es lockt, Planspiele über die Verwendung der Subventions- und Rüstungsmilliarden zu machen oder zu untersuchen, welche Art von Großmachtstreben hinter den Beschlüssen der Jahre um 1970 stand. Wichtiger ist die Frage danach, ob die Marktwirtschaft im Jahre 2000 tatsächlich wieder in Ordnung sein kann, wenn Daimler das Risiko für den Airbus voll übernehmen soll, also die Frage, ob die Legitimation für eine solche Industriepolitik wiederhergestellt werden kann. Das könnte Gegenstand schadenfroher Polemik bleiben, wenn es sich nicht um reale Politik handeln würde.

Denn aus dem Einstieg ergeben sich sofort zwei Konsequenzen. Die eine ist der unmittelbare finanzielle Preis: bis zu 4,3 Milliarden Mark für die Übernahme von Wechselkursrisiken bis Silvester 1999. Die Summe erhöht sich weiter, wenn weitere Steuergelder etwa für Projekte des Bundesforschungsministeriums, für Investitionen in strukturschwachen Gebieten oder direkte Staatsleistungen hinzugerechnet werden - gerade wird etwa der Bremer Flughafen auf Senatskosten zugunsten der dortigen Produktion von Airbus-Flügeln erweitert. Einen Nachschlag aus Bonn dürfte es geben, wenn der Dollarkurs nachhaltig unter 1,60 DM bleibt und das Airbus-Unternehmen bedroht. Vermindert werden muß der Betrag allerdings um die Summe, die Daimler aus den MBB-Rüstungsgewinnen auf die unersättlichen Airbus -Konten überweist.

Die zweite Konsequenz hat ebenfalls mit Steuermilliarden zu tun. Schon bislang kam die Wirtschaftspolitik an Daimler nicht vorbei - mit dem Einstieg wird dieser Einfluß auf die Rüstung und die Luft- und Raumfahrt ausgedehnt. Der neue Konzern wird mindestens zwei Drittel aller Rüstungsaufträge aus der Hardthöhe auf sich vereinigen - Schätzungen gehen bis zu 80 Prozent. Angesichts der notwendigen engen Zusammenarbeit von Industrie und Militär ist es sehr wahrscheinlich, daß es immer mehr Bedrohungsanalysen gibt, die den Produkt- oder System-Angeboten der Rüstungsindustrie angepaßt werden. Wie anders sollen auch Produktions -Kapazitäten vorrätig gehalten werden?

Außerdem: Vor allem durch die Kostenexplosion für die elektronische Kriegsführung und wegen der stetigen Spezialisierung der Hersteller spielen die Preise für Waffensysteme eine immer geringere Rolle, ganz abgesehen von politischen Entscheidungen zugunsten nationaler Hersteller. Von einer Konkurrenz, die die Preise drückt, kann in der bundesdeutschen und - mit ganz wenigen Ausnahmen - in der europäischen Rüstungsindustrie keine Rede mehr sein.

Ähnlich konzentriert wird es in der bundesdeutschen Luft und Raumfahrt zugehen. Den 18-Milliarden-Markt machen die Daimler-Töchter im wesentlichen unter sich klar; zu den 4,5 Milliarden Mark von AEG, MTU und Dornier kommen die 5,8 Milliarden Mark von MBB. Bei allen größeren Entscheidungen zum Weltraumprogramm sitzen demnächst Daimler -Männer den Ministerialen gegenüber und entwickeln mit ihnen die Vorlagen für die Konferenzen auf Euro-Ebene, eine Zusammenarbeit, die im Alltag weitgehend unbemerkt vonstatten geht. Das ist keine Verschwörungstheorie, ebensowenig wie im Rüstungssektor, sondern eine notwendige Folge staatlich betriebener Weltraumpolitik mit zivilen „Auftragnehmern“. Würde Daimler irgendwann einmal der Deutschen Bank entwunden und verstaatlicht, sähe es vermutlich noch viel schlimmer aus. Dann würde Profitstreben in Verschwendung münden - die harsche Kritik einer Gutachter -Kommission an Airbus-Management und -Aufsicht vom Frühjahr belegt das zur Genüge.

Dabei ist der Einstieg nur eine Etappe. Auch ohne Binnenmarkt würde der Konzentrationsprozeß unter den großen Konzernen des europäischen militärisch-industriellen Komplexes weitergehen, eine Gemenge-Lage aus Expansionen, Fusionen und Kooperationen, die - so der Wille nicht nur des Daimler-Managements - in einen europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern einmünden soll.

Der hätte - einschließlich der traditionellen Sektoren der beteiligten Konzerne und der Macht der hinter ihnen stehenden Banken und Regierungen - einen Zuschnitt, der an die USA erinnert und den Brüsseler Eurokraten kaum mehr einräumt als Politik im Windschatten der Management -Entscheidungen. Eine der Voraussetzungen ist dabei, daß solche Konzerne überhaupt begründet werden dürfen. Zwar wird ein solcher Zusammenschluß auf jeden Fall der EG -Fusionskontrolle unterliegen. Aber welchen Wert sie hat, wenn Regierungen ihre Industriepolitik betreiben, war einer Äußerung von Staatssekretär Riedl zu entnehmen: Untersagt das Bundeskartellamt die Fusion, kommt die Ministererlaubnis, egal was die Monopolkommission dazu sagt. Und dabei gilt das bundesdeutsche Kartellrecht als noch das schärfste in der EG. Aufschluß über das Kräfteverhältnis der Wächter über die Marktwirtschaft, der Regierungs- und Industrie-Interessen wird die kontroverse Debatte um die Ausgestaltung der EG-Fusionskontrolle geben, die im kommenden Jahr weitergeht.

So spricht nichts dafür, daß die Wirtschaftswelt rund um Daimler, die neue „Deutsche Aerospace“ und den Airbus wieder in die Ordnung kommt, die die VerteidigerInnen der Marktwirtschaft so gerne sähen. Bedauerlicherweise ist das nicht nur ein linker Allgemeinplatz; die Kosten und die Opfer sind real.

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