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StuPa-Wahl an FU wird auch von Besetzern befürwortet

■ Der Wahlkampf um das Studentenparlament der Freien Universität findet wegen Streik nicht statt / Geringe Wahlbeteiligung könnte den Wahlausgang zugunsten rechter Listen entscheiden / Briefwahlunterlagen müssen bis zum 12. Januar im Wahlbüro sein / Tarnlisten täuschen Vielfalt vor

„Kenn‘ ich nicht. Wähl‘ ich nicht.“ Typische Antworten von FU-Studenten auf die Frage nach ihrer Haltung zum Studentenparlament (StuPa). Interesse und Beteiligung an der bis zum 12. Januar stattfindenden Wahl zum StuPa sind wie üblich sehr dürftig. Angesichts der aus allgemeiner Unzufriedenheit hervorgegangenen Politisierung der Studis erscheint dies widersprüchlich. Tatsächlich organisiert sich die neue Studentenbewegung in selbst geschaffenen Gremien. Besetzungs- und Inhaltsrat tagen täglich, StuPa und AStA (Allgemeiner Studentenausschuß) spielen auf den ersten Blick an der Hochschule keine Rolle mehr.

Nicht nur aus Faulheit, Desinteresse und wegen des undurchdringlichen Wustes von 21 Listen liegt die Wahlbeteiligung alljährlich bei nur rund 20 Prozent. Auch durchaus verständliche Gründe halten die Studis vom Gang zur Urne ab: Was hochschulpolitische Entscheidungen betrifft, haben die Organe der sogenannten verfaßten Studentenschaft nichts zu sagen. Die Zerschlagung des Lateinamerika -Institutes beispielsweise wurde ohne den AStA entschieden. „Der AStA und das StuPa sind praktisch von den übrigen Gremien der Universität getrennt“, faßt Arend Wellmann von der AL vom Öffentlichkeitsreferat die Situation zusammen. Wichtige Entscheidungen fallen in den Gremien, in denen die Professoren die Mehrheit stellen. Dort sitzen nur wenige studentische Vertreter, die unabhängig vom StuPa gewählt werden.

Warum also das StuPa wählen? Wirkungslos kann die verfaßte Studentenschaft nicht sein. Warum sonst wollte sie 1985 der damalige Wissenschaftssenstor Kewenig abschaffen.

Seit der Wiedereinführung der StuPa im Berliner Hochschulgesetz durch den SPD-Wissenschaftssenator Glotz vor fast zehn Jahren ist dessen politische Gliederung mehr oder weniger gleich. Fünf der 60 Sitze erhielten bei den letzten Wahlen der RCDS (Ring Christlich-Demokratischer Studenten) und die Junge Union. Letztere trat 1984 schon mit dem Ableger der Mun-Sekte, CARP, als „Christlich-Alternative“ Liste an. Der FDP-nahe Sozial-liberale Hochschulverband (SLH) bekam nur einen Sitz. Sieben weitere konnte er über diverse, mit ihm in Verbindung stehende Tarnlisten, etwa den „Graue Panther Langzeitstudenten“, erschleichen. Die „TUWAS -Liste/Unorganisierte und ADS“ (neun Sitze) und Jusos (sechs) fungieren als linke - Opposition - gegenüber den AStA tragenden Listen. AL (15), Ausländer-, Frauen- und Schwulenliste, Undogmatischen Jusos sowie Anarcho-Gruppen.

Für Thomas Moritz, Vorsitzender der Sitzungsleitung des StuPa, hat das Studentenparlament zwei wichtige Funktionen: „Erstens wird dort der AStA gewählt. Zweitens verabschiedet es den Haushalt des AStA“, immerhin eine knappe Millionen Mark. Viel mehr bekommen die 60 Auserwählten in den drei bis fünf Sitzungen pro Semester nicht auf die Reihe. Neben lähmenden parlamentarischen Ritualen (Geschäftsordnungsdebatten) kommt manchmal eine Resolution, meist zu den gerade aktuellen „Deform„-Absichten, zustande.

In der konstituierenden Sitzung wählt das StuPa den AStA. Dieser besteht aus dem dreiköpfigen Vorstand und zwölf Referaten (Finanzen, Soziales, Frauen usw.), die von jeweils zwei bis drei Referenten geleitet werden. Der Vorstand vertritt den AStA nach außen, während die Referate organisatorische Aufgaben übernehmen, studienbezogene Service-Leistungen anbieten sowie Gruppen- beziehungsweise themenspezifische Arbeit leisten. Die Referate tagen öffentlich. Der AStA finanziert neben der Arbeit der Referate hauptsächlich die unregelmäßig erscheinende AStA -Zeitung, eine hochschulpolitische Schriftenreihe und kulturelle Veranstaltungen. Bei der Verteilung des Geldes ist er aber nicht nur an StuPa-Beschlüsse gebunden, sondern auch von der Zustimmung des Wissenschaftssenators abhängig.

Dazu Thomas Moritz: „Meistens dreht sich der Streit um das allgemeinpolitische Mandat.“ Laut Berliner Hochschulgesetz dürfen sich StuPa und AStA nur zu hochschulpolitischen Fragen äußern, was für diese politischer Unmündigkeit gleichkommt. Regelmäßig setzt sich der AStA über das Verbot allgemeinpolitischer Meinungsäußerung hinweg. Die Wissenschaftssenatoren reagierten darauf mehrfach damit, Gelder nicht zu bewilligen oder zu blockieren. 1983 erklärte der damals zuständige Senator Kewenig die Vorgehensweise: „In Fällen, in denen nicht nur eine belanglose Meinungsäußerung vorliegt, sondern zu rechtswidrigen Aktionen aufgefordert wird, hält der Senat allerdings ein Einschreiten (...) für dringend geboten.“

Jüngstes Beispiel: Eine Spende des AStA an das Studentenwerk der nicaraguanischen Partneruniversität der FU. Bisher ließen sich die Studentenvertreter jedenfalls keinen Maulkorb verpassen. Da für sie die Probleme der Hochschulen nicht strikt von gesellschaftspolitischen Fragen zu trennen sind. Universitäten, so die Meinung des AStA, existieren nicht in luftleerem Raum.

Versuchten viele Listen sich vor der letzten Wahl noch mit Kaffee und Kuchen bei den Wählern einzuschmeicheln, fällt dieses Mal die als Wahlkampf bezeichnete Schlammschlacht aus. Streik und Besetzung haben die Situation grundlegend verändert. Vor allem den rechten Listen machten sie einen dicken Strich durch die Rechnung. An der befreiten Universität scheint für sie kein Platz mehr zu sein, ihre Flugblätter bleiben in der Schublade liegen. Um eine mögliche Spaltung der Streikbewegung zu verhindern, beschränken die linken Listen ihren Wahlkampf auf eine gemeinsame Wahlzeitung, in der sie sich auf je einer Seite vorstellen.

Informationen sind also Mangelware. Ungewiß ist, wie sich Streik und fehlende Wählerinformation auf die Wahlbeteiligung auswirken werden. Die Besetzer rufen in der Streikzeitung dazu auf, sich an den Wahlen zu beteiligen. Sie befürchten, daß eine geringere Wahlbeteiligung die rechten Gruppen stärken würde. Für die Streikbewegung wäre es ein herber Verlust, wenn sie mit StuPa und AStA ihren institutionellen Arm verlieren würden.

Jörge Koch/Christoph Sippel

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