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Der Januaraufstand

■ Heute vor 70 Jahren wurden sieben Parlamentäre ermordet

Stadtbekannt ist das Gebäude am Mehringdamm in Kreuzberg, das so aussieht wie eine Burg aus Pappmache, heute ein Finanzamt beherbergt und früher die Kaserne des 1.Garde -Dragoner-Regiments war. Kaum bekannt ist, daß im Hof des Gebäudekomplexes am 11. Januar 1919 sieben Teilnehmer am sogenannten Januaraufstand ermordet wurden. Keine Gedenktafel erinnert an dieses Verbrechen preußischer Offiziere.

Am 9.November 1918 war das deutsche Kaiserreich zusammengebrochen. Das Regime, das für das millionenfache Abschlachten im Ersten Weltkrieg mitverantwortlich war, hatte abgewirtschaftet. In den folgenden Wochen bildeten sich überall in Deutschland Arbeiter- und Soldatenräte. Doch der vom 16. bis 21.Dezember 1918 stattfindende Erste (und auch letzte) Allgemeine Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands beschloß nicht die Errichtung einer Rätedemokratie, sondern wollte eine parlamentarische Demokratie. Die Mehrheits-SPD hatte sich damit gegen die vor allem von den Unabhängigen Sozialdemokraten geführte Opposition durchgesetzt.

Zum offenen Kampf zwischen der linken Opposition und der SPD-Regierung unter Ebert kam es Anfang Januar 1919. Anlaß war die Entlassung des Berliner Polizeipräsidenten Eichhorn, ein Mitglied der USPD.

Am 5.Januar kam es in Berlin zu einer Massendemonstration von mehreren hunderttausend Menschen dagegen. Der Generalstreik wurde ausgerufen. Die Anhänger der Räterepublik sahen ihre Chance, die Ebert-Regierung zu stürzen. Ein Revolutionsausschuß aus Mitgliedern der USPD, revolutionären Obleuten und der gerade gegründeten KPD bildete sich. Zahlreiche öffentliche Gebäude wurden besetzt. So auch das Verlagsgebäude der sozialdemokratischen Tageszeitung 'Vorwärts‘ in der Lindenstraße in Kreuzberg. (Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.)

Die Regierung rief ehemalige Reichswehrverbände, die sogenannten Freicorps, zur Hilfe. Sie sollten Berlin „säubern“. Und das taten sie dann auch. Die Eroberung des 'Vorwärts‘ am 11.Januar und die Ermordung von sieben Verhandlungsführern der Besetzer durch das „Regiment Potsdam“ waren die blutigsten Ereignisse bei der Niederschlagung des Januaraufstandes, in dessen Verlauf am 15.Januar auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet wurden.

Während der Beschießung des 'Vorwärts‘ mit schwerem Geschütz schickten die Besetzer eine Verhandlungskommission bestehend aus sieben Parlamentären aus dem Gebäude, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Sie waren bereit zur Kapitulation. Zu Verhandlungen kam es jedoch gar nicht mehr. Die Regierungssoldaten brachten die unbewaffneten Männer in die nahegelegene Dragonerkaserne.

Dort wurden sie kurzerhand im Hof an die Wand gestellt und erschossen. Keine Hinweistafel erinnert an dieses blutige Ereignis.

Jürgen Karwelat, Mitarbeiter der Berline

Geschichtswerkstat

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