In Genf stirbt man leicht und mysteriös

Rätselhafter Tod eines österreichischen Konsuls am Genfer See / Die Waffen-Mafia behauptet: Der Konsul soll gemeinsam mit seinem angeblichen Freund Barschel in Waffengeschäfte verwickelt gewesen sein / Zweifelhafte Ermittlungen der Genfer Behörden  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Fröhlich amüsierte sich der rundliche österreichische Honorargeneralkonsul Bernhard Maier (53) auf einer Diplomatenparty in Genf. Kurz vor Mitternacht verabschiedete der Österreicher sich mit den Worten, er müsse am nächsten Morgen um sieben Uhr nach Bremen fliegen. Danach stieg der Konsul in sein Auto und fuhr nicht Richtung Heimat sondern in die entgegengesetzte Richtung, nach Lausanne. In der Nähe der Stadt parkte er seinen Rover, schaltete den Motor aus, ließ das Abblendlicht leuchten, öffnete alle vier Türen und ging zu Fuß weiter. Binnen drei Stunden schaffte der Mann 35 Kilometer zu einer Brücke. Von selbiger stürzte er sich vierzig Meter in die Tiefe - und verstarb. Kein Spitzensportler

Offen läßt der Bericht der Genfer Kantonspolizei, wann und wo Bernhard Maier - zu Lebzeiten keineswegs als Spitzensportler bekannt - den gerichtsmedizinisch nicht ausgeschlossenen Herzinfarkt erlitten hat. Keinen Zweifel lassen die Schweizer Behörden an ihrem Urteil: Konsul M. habe am 22.Oktober 1988 „Selbstmord“ begangen oder sei bei einem „Unfall“ ums Leben gekommen. „Fremdverschulden scheidet aus“, so der Untersuchungsrichter Jacques Antenen zur taz. Das bezweifelt indes nicht nur das Wiener Nachrichtenmagazin 'Profil‘. In seiner jüngsten Ausgabe berichtet es über den mysteriösen Tod des Konsuls, der Spuren zu Waffengeschäften und zum vermeintlichen Duz-Freund Uwe Barschel hinterließ.

Die Verbindungen zwischen Maier und Barschel hören sich dubios an. Barschel starb im Genfer Hotel 'Beau Rivage‘, unweit des von Maier in der Nobelabsteige gemieteten Büros. Unbestätigten Meldungen zufolge sollen sich die beiden seit Jahren gekannt haben, zum Teil aus Geschäften zwischen dem Iran und der Kieler Werft HDW. Maier besaß in Genf eine Firma, die gemeinsam mit zwei Niederlassungen in Bremen und Triest in der Schiffsbaukonstruktion engagiert waren beziehungsweise sind. Die Bremer Niederlassung der „Maierform GmbH“, geführt von Maiers Schwager, verweigert jede Auskunft. Dagegen äußerte der ehemalige Waffendealer Hermann Moll im Magazin 'Profil‘, Barschel sei in die Lieferung von U-Booten nach Südafrika involviert gewesen, und Konstrukteur Maier habe möglicherweise als Berater fungiert. Dem widersprechen Maiers Angehörige. Einem Verwandten gegenüber soll der Mann, zu dessen Bekanntenkreis nachweislich führende kriminelle Köpfe aus Österreich, Italien und der Schweiz gehörten, gesagt haben: „Diese Geschäfte sind mir zu heiß.“ Angeblich soll Maier „einer großen Sache auf der Spur“ gewesen sein - diese Äußerung kurz vor dem Tode nährte bei der Familie den Verdacht auf eine gescheiterte Entführung.

Treffen mit Barschel?

Mit Uwe Barschel pflegte Maier offenbar mehr als nur einen flüchtigen Kontakt. Entgegen eines Dementis von Freya Barschel - sie wußte nie viel über die Bekannt- und Machenschaften ihres Gatten - beharren Verwandte Maiers darauf, daß der Konsul und Barschel sich kurz vor dessen Tod auf den kanarischen Inseln getroffen haben.

Dorthin, in die Villa des schwerreichen Waffendealers Kashoggi, hatte sich Barschel bei Aufdeckung des „Waterkantgate“ zurückgezogen. Was Maier und Barschel auf den Kanaren besprachen, erzählte der Konsul seinem Verwandten nicht. „Aber ich erinnere mich genau, daß er mir davon berichtet hat“, versichert der Angehörige.

Ob der Tod des Konsuls neu untersucht wird, steht dahin. Die Familie, „Selbstmord schließen wir hundertprozentig aus“, sieht derzeit keine Chance. Die österreichischen Behörden, zunächst „aus Rücksicht auf die bilateralen Beziehungen“ zu den Nachbarn völlig zufrieden mit der Arbeit der Schweizer, überraschten diese Woche mit der Bemerkung eines Sprechers des Außenministeriums: „Alles ist möglich.“ Auch Untersuchungsrichter Jacques Antenen scheint sich nicht mehr ganz wohl zu fühlen. Eigentlich hielt er die Arbeit für abgeschlossen.

Es klang plausibel, daß das Auto des Toten auf der Brücke und nicht 35 Kilometer entfernt gefunden worden sei. Diese ursprünglich veröffentlichte Version, die mehreren Fakten widerspricht, ist unhaltbar geworden und erhärtet den in der Schweiz und Österreich offen geäußerten Verdacht, die Genfer Behörden wollten etwas vertuschen.

„Non“, sagt Monsieur le juge, aber er wolle sich die Sache „noch einmal ansehen und nichts dem Zufall überlassen“.