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Klarsfeld: Bonn will Nazi Brunner nicht

Jetzt verlangt Paris von Syrien die Auslieferung des Nazi-Kriegsverbechers / Klarsfeld fordert Kohl im taz-Interview zum Handeln auf  ■  Aus Paris Georg Blume

Der Pariser Rechtsanwalt Serge Klarsfeld hat gestern in Paris Vorwürfe gegen die Bundesregierung in Zusammenhang mit dem Fall des Nazi-Kriegsverbrechers Alois Brunner erhoben. Am Vortag hatte Klarsfeld verkündet, Frankreich habe einen Auslieferungsantrag für den ehemaligen SS-Hauptsturmführer Brunner an dessen Aufenthaltsland Syrien gestellt. Gegenüber der taz forderte Klarsfeld Bundeskanzler Helmut Kohl auf, den nur mündlichen Auslieferungsantrag der BRD an Syrien zu erneuern und ihm das nötige Gewicht zu verleihen. Brunner, oft als „rechte Hand“ Adolf Eichmanns beschrieben, wird für die Deportation von über 100.000 Juden in die Nazi-KZs verantwortlich gemacht. Er ist heute nach den Worten Klarsfelds der „bedeutenste, noch überlebende Nazikriegsverbrecher“.

Der Bundesregierung warf Klarsfeld vor, ihr fehle „der wirkliche Wille“, den Nazi-Täter zu fassen. Bonn habe den im Dezember 1984 gestellten mündlichen Auslieferungantrag für Brunner an die syrische Regierung bisher nur einmal erneuert. Allein entschiedener Wille aber könne die Auslieferung Brunners bewirken. Deshalb, so gab Klarsfeld zu verstehen, habe er sich - wie bereits zuvor im Fall des Lyoner Gestapoführers Barbie - gezwungen gesehen, das Verfahren gegen Brunner nun von französischer Seite her einzuleiten. Wiederholt seien Mitglieder der Bonner Regierung, unter ihnen Bundesaußenminister Genscher, in den letzten Jahren nach Damaskus gereist, ohne den Fall Brunner zu erwähnen. Klarsfeld zählt heute auf sein freundschaftliches Verhältnis zu dem französischen Außenminister Dumas, der bereits als Kläger im Barbie-Prozeß auftrat, um mit dem entsprechenden Druck der Pariser Regierung endlich die Auslieferung Brunners zu erreichen.

Klarsfeld hatte als erster die Identität des für seine Brutalität während der Nazi-Herrschaft bekannten SS -Hauptsturmführers im Jahr 1982 gerichtswirksam festgestellt und seine Adresse in Damaskus öffentlich gemacht. Klarsfelds Vater war auf Befehl von Brunner nach Auschwitz deportiert worden und wurde dort ermordet. Schon Ende der fünziger Jahre hatte Simon Wiesenthal, Leiter des jüdischen Dokumentationszentrum in Wien, behauptet, Alois Brunner halte sich in Syrien auf. Aus französischen Geheimdienstquellen wurde im letzten Jahr bekannt, daß Brunner bis in die sechziger Jahre für den bundesdeutschen Bundesnachrichtendienst (BND) tätig war. In aufsehenerregenden Interviews, u.a. in 'Bunte‘, hatte Brunner 1985 seine SS-Vergangenheit bestätigt und diesbezüglich „keinerlei Bedauern“ ausgedrückt. Noch im Dezember 1987 sagte er der Wiener 'Kronenzeitung‘, daß er alles „nochmals so machen würde, wie seinerzeit“. Das Interview mit Klarsfeld Seite 6

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