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Einigkeit über KSZE-Schlußakte

■ Alle Widerstände konnten ausgeräumt werden / DDR interpretiert „Zwangsumtausch„-Klausel

Wien/Berlin (dpa/taz) - Nach 27 Monaten langwieriger Verhandlungen und einem diplomatischen Endspurt in den letzten Tagen ist es soweit: Die 35 Teilnehmerstaaten der dritten Folgekonferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) einigten sich gestern mittag ohne Gegenstimmen auf eine Schlußresolution. Außenminister Genscher meldete sich als erster zu Wort und erklärte, der Abschluß sei ein großer Schritt nach vorn für die Lösung humanitärer Fragen, die Sicherung der Menschenrechte und die Abrüstung. Kommenden Dienstag wird das Dokument auf einer Außenministerkonferenz ebenfalls in Wien unterzeichnet werden.

Erst am Samstag konnte der Streit zwischen Griechenland und der Türkei beigelegt werden: Die türkische Hafenprovinz Mersin wird in dem Mandat für die im Februar beginnenden konventionellen Abrüstungsgespräche nicht erwähnt werden. Athen hatte eine Einbeziehung Mersins gefordert, da der Hafen als Nachschubbasis für die türkischen Truppen auf Zypern dient.

Kaum war der Kompromiß ausgetüftelt und das Verhandlungsmandat zwischen Nato-Ländern und Warschauer Pakt unterzeichnet, meldete die DDR textkritische Bedenken an: Die Frage des Zwangsumtausches solle nicht „geprüft“, wie es die deutsche Übersetzung des Protokolls auswies, sondern lediglich „erwogen“ werden.

Auch am Sonntag verlief die europäische Zusammenarbeit nicht ganz so ungetrübt, wie die Erklärungen der Diplomaten nahelegen. Die türkische Delegation konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen, daß sie „nicht froh“ sei über die Situation der türkischen Minderheit in Bulgarien; geschickt konterte Bulgarien mit der Feststellung, es gäbe bei ihr keine nationale Minderheit, daher sei die Wortmeldung „irrelevant“.

Rumänien nahm die Schlußakte nur mit Einschränkungen an, weil einige Bestimmungen zu einer „Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten“ führen könnten. Rumänien fühle sich nicht an alle Punkte gebunden. „Eine illegale und absurde Haltung“ kommentierte der US -Chefdelegierte prompt.

Neben dem Mandat für ein konventionelles Abrüstungsforum in Europa „vom Atlantik bis zum Ural“ - einem der

entscheidenden Punkte der Resolution - und Verhandlungen

über vertrauensbildende Maßnahmen sieht die Schlußakte

Vereinbarungen über Menschenrechte, wirtschaftliche

Zusammenarbeit und Kooperation im Umweltschutz vor. Im

Gegensatz zu den bisherigen Folgetreffen wurden im Bereich der Menschenrechte auch Fristen für Ausreise- und

Reiseanträge konkretisiert. In dringenden

FamilienangelegenheiFortsetzung auf Seite 2

ten soll die Bearbeitung nicht länger als drei Tage, bei Familienzusammenführung und Heirat nicht länger

als drei Monate dauern. Aktivistengruppen sollen das Recht haben, die Einhaltung von Menschenrechten im Lande selbst zu überwachen - eine Formulierung, die Gruppen wie der „Charta 77“ auf den Leib geschrieben zu sein scheint.

Auf zehn künftigen KSZE-Treffen sollen spezielle Themenbereiche erörtert werden. Die Menschenrechte werden auf Konferenzen in Paris, Kopenhagen und Moskau debattiert. Für Bonn ist ein Wirtschaftsforum geplant, für das bulgarische Sofia ein Umwelt- und für London ein Informationsforum. Daneben sollen eine Konferenz über die friedliche Beilegung von Konflikten in La Valetta, ein Kulturforum in Krakau und eine Konferenz über Mittelmeerfragen in Palma de Mallorca abgehalten werden.

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