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Wiederherstellung der europäischen Weltgeltung

Die Europäisierung und Vernetzung der extremen Rechten schreitet zügig voran: 17 Abgeordnete im Europaparlament Kontakte, Treffen und gemeinsame Herausgabe von Zeitschriften / Ein missionarischer Euro-Chauvinismus tritt in den Vordergrund  ■  Von Benno Hafeneger

Die „Eurorechte“ ist der Zusammenschluß der drei rechtsextremen Parteien im Europaparlament: Die französische „Front National“ (FN), die bei der Europawahl 1984 in Frankreich elf Prozent der Stimmen erhielt, die italienische „Movimento Sociale Italiano/Destra nationale“ (MSI-DN) und die griechische „Union für nationale Politik“ (EPEN). Die 17 Mitglieder starke Fraktion der „Eurorechten“ im Straßburger Europaparlament proklamiert einen „europäischen Patriotismus brüderlicher Staaten“ mit „europäischer Identität“, der die „nationale Identität wahrt und unabhängig von der außereuropäischen Welt wird“. Sie fordert „die kulturelle Wiedergeburt“ und die „Abschaffung des Jalta-Systems durch völkerfeindlichen Imperialismus in Ost und West“.

Die „Eurorechte“ wendet sich „gegen Beherrschung durch uneuropäisierbare Gruppen und Rassenmischungen“ und gegen „Einwanderung und Überfremdung, die Schmarotzer des sozialen Netzes, Geburtenschwund, Volksseuche Aids, Untergrabung der Verteidigungsbereitschaft, kommunistische Unterminierung, Terrorismus“. Jean-Marie Brissaud, Generalsekretär der „Eurorechten“ im Straßburger Parlament, sieht die „Eurorechte“ als „Speerspitze im Kampf um die Freiheit und gegen die Dekadenz in all ihren Formen, wie sich auch im Neutralismus und im Pazifismus zeigt“.

Entwickeltes Kontaktnetz

Es gibt eine Reihe von Hinweisen über Kontakte zwischen rechtsextremen Parteien in Westeuropa: So hat die niederländische „Centrumspartij-86“ Beziehungen zur NPD und zum „Vlaams Blok“ in Belgien. An der DVU -Gründungsversammlung in Nordrhein-Westfalen im November 1988 nahmen mehrere Vertreter des Vlaams Blok teil. Der Österreicher Jörg Haider (FPÖ) betont die vermittelnde Rolle seines Landes im Rahmen der europäischen Integration. In der Schweiz ist die „Nationale Aktion für die Erhaltung von Volk und Vaterland“ vor allem durch ihre am 4.Dezember 1988 gescheiterte „Überfremdungs-Initiative“ bekannt geworden, eine Volksabstimmung, in der sie sich gegen „Degeneration“ wandte und eine radikale Begrenzung ausländischer Saisonarbeiter, Grenzgänger und Arbeiter forderte. Zum Kontaktnetz gehört auch die spanische „Frente Nacional“ unter Blas Pinar.

Über die „Eurorechte“ hinaus gibt es Verbindungen zwischen militanz- und gewaltorientrierten, nationalrevolutionären Gruppen wie dem „Movimento des Accao National“ (Bewegung der Nationalen Aktion) (MAN) in Portugal, die, angelehnt an der auch als „Strasserismus“ bezeichneten italienischen „terza Positione“ nationalrevolutionär orientiert ist. Die MAN hat Kontakte zu „Troisieme Voie“ (Frankreich), zur „National Front“ (Großbritannien) und spanischen Nationalrevolutionären „Basista Nacional Revolucionario Espanol“. Im neonazistischen Organisationsbereich gibt es die „Europäische Bewegung“, bei der über das sogenannte „Führerthing“ NS-Aktivisten aus der Bundesrepublik, Frankreich, Belgien, Dänemark und den Niederlanden Verbindungen haben. An dem von Belgien ausgehenden „Euroring“ sind darüber hinaus Neonazis aus Großbritannien beteiligt. Ein für August 1988 geplanter „Euroring„-Kongreß wurde verboten.

Weitere Vernetzungsinitiativen gehen von Österreich, der Schweiz („Europäische Neu-Ordnung„/ENO) und Spanien („Circulo Espanol de Amigos de Europa„/CEDADE) aus. Die rechtsextreme britische Zeitschrift 'The Scorpion‘ und die Organisation IONA wollen am 28.Januar 1989 in London ein gemeinsames Treffen zum dem Thema „Europe: Above Materialism“ veranstalten; an der Podiumsdiskussion nimmt auch Alain de Benoist von der französischen Neuen Rechten teil.

Aufbau von Nachwuchsorganisationen

Auch der Bundesvorsitzende der „Jungen Nationaldemokraten“, Lehmann, spricht sich für ein „blockfreies Gesamtdeutschland als Bollwerk des Friedens für Europa“ aus. Er betont, daß durch die „Asylantenschwemme eine Stimmung geschaffen wurde, die unweigerlich zu einer Stärkung der nationalen Kräfte führen wird“. Sein Kollege Francis van den Eynde, Vorsitzender der flämischen Organisation „Voorpost“, meint, daß es „an der Zeit sei, daß die Nationalisten Europas gemeinsam gegen die universalistischen Doktrinen der Liberalisten und Marxisten ankämpfen“.

Martial Bild, verantwortlicher Leiter der „Front National de la Jeunesse“ (FNJ) - der Jugendorganisation der Front National - verabredete Anfang 1987 mit Makis Voridis, dem Vorsitzenden der Jugendorganisation der „Nationalen griechischen Rechten“ (Jung-EPEN) und mit der „Fronte della Giuvento“ (FDG/MSI), die Jugendverbindungen in Europa enger zu gestalten. Nach Treffen der Jugend -Nachwuchsorganisationen von FN, MSI und EPEN in Athen (erste Jugendkonferenz), wurde ein Ausschuß gebildet, der sich mit der Gründung eines „Bundes europäischer Jugend“ befaßte; ihm sollten sich alle nationalistischen europäischen Jugendorganisationen anschließen.

Auch die „Jungen Nationaldemokraten“ (Jugendorganisation der NPD) schlossen sich 1987 bei ihrem Bundeskongreß dieser Resolution an - allerdings verurteilten sie die Südtirolpolitik der MSI-Jugend scharf. Als Dachorganisation der Jugend der im europäischen Parlament vertretenen Rechtsparteien gründete Martial Bild von der FNJ im September 1987 in Paris die „Europäische Jugendbewegung“ (Mouvement de la Jeunesse d'Europe/MJE). Generalsekretär wurde Carl Lang. Die MJE deffiniert sich als Kristallisationspunkt nationaler europäischer Jugendgruppen

-und mit dem Anliegen, für Le Pen im Wahlkampf auf europäischer Ebene 100.000 Unterschriften zur Präsidentschaftskandidatur zu sammeln. Auf Initiative der MJE, der FNJ und der „Eurorechten“ fand im April 1988 in Straßburg ein europäisches Jugendtreffen statt. Unter den etwa 500 Teilnehmern aus knapp 20 europäischen Staaten waren etwa 50 Teilnehmer aus der Bundesrepublik. Der Jugendkongreß stand unter dem Motto „100.000 junge Europäer für Le Pen“.

Rechtsextreme Zeitschriftenflut

Von den vielen Publikationen der extremen Rechten und einem Führungskreis von europäischen Rechtsintellektuellen, die als Stichwortgeber und Ideologieproduzenten fungieren, befassen sich einige wiederholt mit den vermeintlichen Bedrohungen, mit einer „rechten, europäisch -nationalistischen Perspektive“, einem „freien und weißen Europa“. Autoren dieser Werke sind Theoretiker der neuen Rechten wie Mohler, Bartsch, Krebs, Eichberg, Strauss und Benoist. Zu diesen Publikationen zählen 'Deutsche Monatshefte für Politik, Geschichte, Kultur und Wirtschaft‘, 'elemente - für die europäische Wiedergeburt‘ (Theorieorgan des Thule-Seminars), 'Criticon‘, 'Mut‘, 'wir selbst‘, 'neue Zeit‘, 'DESG-INFORM‘, 'Nation Europa‘, 'Europa Nationaleuropäisches Forum‘ (herausgegeben vom nationaleuropäischen Jugendwerk), 'Notre Europe‘, 'Europe et patries‘ (Europa und die Vaterländer) - Lettre europeen de Jean-Marie Le Pen‘.

Die Zeitschrift 'Europa vorn‘, die Ende Januar 1989 als „erstes und einziges“ Nachrichtenmagazin der Neuen Rechten monatlich erscheinen soll, schreibt in ihrer Nullnummer unter anderem von der Notwendigkeit einer tiefgreifenden Wende in der deutschen und europäischen Politik. Neben Berichten aus dem konservativen und nationalen Lager sind nationalrevolutionäre Argumentationsmuster zu lesen. „Jeder Europäer, der nicht Opfer einer mehr und mehr um sich greifenden intellektuellen Verflachung geworden ist, erstrebt die Befreiung der europäischen Völker von der Bevormundung durch die US-Amerikaner und Sowjets. Um aber frei sein zu können, muß Europa erst seine Zerrissenheit die in der Spaltung Deutschlands gründet - überwinden.“

Die Ausführungen sind Teil eines Untersuchungsprojektes über Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Ideologien der rechtsextremen Jugend in westeuropäischen Ländern sowie ihre organisatorische Vernetzung. Für Hinweise ist der Autor dankbar. Briefe bitte an die taz-Auslandsredaktion mit dem Stichwort „Rechtsextremismus“ richten.

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