: NRW-Grüne: 2. Runde im Finanzskandal
Einzelner nordrhein-westfälischer Realo wirft in offenem Brief Fundis „illegale Parteienfinanzierung“ vor ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Bei den nordrhein-westfälischen Grünen bahnt sich im Vorfeld des am Wochenende stattfindenden Parteitages eine neuerliche Debatte über das Finanzgebaren der Landespartei an. In einem offenen Brief hat der dem Realolager zuzurechnende Kommunalparlamentarier Hans I.Herbers aus Bad Salzuflen jetzt den Verantwortlichen vorgehalten, unter der Ägide des Ex-Vorstandsvorsitzenden Hans Verheyen gegen das Weiterbildungsgesetz verstoßen und Steuergelder „zur illegalen Parteienfinanzierung zweckentfremdet“ zu haben.
In dem Brief an die „lieben Freundinnen und Freunde“ der Partei stellt Herbers die Frage, ob es richtig sei, daß durch Vermittlung der „seinerzeitigen Landesvorsitzenden (gemeint ist Hans Verheyen, d.Red.) zahlreiche Sitzungen von Parteiorganen (z.B. des Landesvorstandes) im Tagungshaus Einschlingen in Bielefeld und an anderen Orten als Veranstaltungen der politischen Bildung ausgegeben wurden und vom Land NRW finanziert wurden“. Diese Vorgehensweise, „stellt eindeutig einen Verstoß gegen das Weiterbildungsgesetz dar, Gelder des Landes NRW wurden hier zur illegalen Parteienfinanzierung zweckentfremdet. Zugleich handelte es sich um einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Parteiengesetzes.“
Hans Verheyen bezeichnete die Vorwürfe gegenüber der taz als „falsch“. Er habe weder als Vermittler fungiert, noch seien während seiner Amtszeit von 1980-82 „ordentliche Vorstandssitzungen“ über das Weiterbildungsgesetz abgerechnet worden.
Im Zusammenhang mit dem bisher festgestellten halsbrecherischen Finanzgebaren der Grünen war der Ökosozialist Hans Verheyen bislang eher als Saubermann in Erscheinung getreten. Der zu Verheyens Amtszeit als Landesschatzmeister tätige Klaus Wietfeld wollte öffentlich zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Mitglieder des damaligen Landesvorstandes bestätigten gegenüber der taz aber, daß es die von Herbers monierte Praxis „für eine ganz kurze Zeit gegeben hat“.
Diese Art der Geldbeschaffung war nicht nur bei den Grünen beliebt. Auch die Altparteien und außerparlamentarische Bewegungen bedienten sich kräftig.
Alle Vorwürfe von Herbers beziehen sich auf die Periode von 1980-83, die von der 1988 eingesetzten parteiinternen Untersuchungskommission nicht durchleutet worden war. Seinen jetzigen Vorstoß begründet Herbers damit, daß die Debatte um den NRW-Finanzskandal weiter strömungspolitisch ausgeschlachtet werde, die Sünden der Fundis aber unerwähnt blieben.
Eine solche Strategie hält Herbers namentlich der Bundestagsabgeordneten Verena Krieger, die den Fundis zuzurechnen ist, vor. In Realokreisen wird ihre Rede auf der letzten Bundesversammlung in Karlsruhe als „Gipfel der Heuchelei“ bezeichnet. Dort habe sie dem Bundesvorstand alle Eskapaden nachgesehen, gleichzeitig sei sie aber in Nordrhein-Westfalen in die Rolle der Anklägerin geschlüpft. Verena Krieger war lange Zeit verantwortliche Redakteurin beim 'Grünen NRW-Info‘, mit dem sich schon die parteiinterne Untersuchungskommission im vergangenen Jahr beschäftigt hatte. Von der Kommission waren auch hier mangelnde Belege, eine unzureichende Reisekostenerfassung und fehlende Jahresabschlüsse moniert worden. Herbers fordert nun auch in diesem Fall, „alle Fakten auf den Tisch zu legen“.
Obgleich man im Realolager weitgehend die Kritik an der Selbstdarstellung von Krieger und Verheyen teilt, ist man über den Herbers-Brief wenig glücklich. Landesvorstandsfrau Beate Schaeffler hält den Zeitpunkt der Veröffentlichung für „fatal“. Die Fakten hätten ihrer Meinung nach der Untersuchungskommission letztes Jahr vorgelegt werden müssen.
In dem jetzigen Vorstoß sieht die Reala Schaeffler vor allem den Versuch, „übelste Rachegefühle“ zu befriedigen.
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