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Der Bulle und das Mädchen

■ Polizisten-Run auf SPD-Zentrale / SPD-Wahlplakat Punkerin-Polizist hängt in Wachstuben

Allzu große Zustimmung hat die SPD mit ihren eher glücklosen Wahlplakaten bisher kaum erreichen können. Um so erstaunter war man in der SPD-Zentrale in der Weddinger Müllerstraße, daß ausgerechnet die pommesspeisende Paarung Punkerin -Polizist sich zum Plakat-Hit mauserte, jedenfalls bei den Ordnungshütern. „Mit ganzen Mannschaftswagen sind die hier vorgefahren und haben sich das Plakat mit dem Polizisten und der Punkerin abgeholt. Wir dachten erst, was ist los, gibt es wieder 'ne Besetzung. Na ja, und dann kamen die Polizisten ganz freundlich rein und holten sich das Plakat ab“, so Mathias Zipser von den Jusos. Bis zu 200 Plakate gingen so schon an Polizisten, die von dem versöhnlichen Motto derart angetan waren, daß sie es sogar in ihre Wachstube hängen wollen. Manche allerdings mit kleinen Abstrichen - das Kürzel „SPD“, kündigten einige an, wollten sie wohl rausschneiden. Nach anfänglicher Distanzierung entschuldigte sich der Vorsitzende der konservativen Polizeigewerkschaft im Beamtenbund, Franke, für die „Vorverurteilung“ und lobte die Genossen für die Verständniswerbung in Sachen „die Polizei, dei Freund und Helfer“. Ganz anders reagierte die SPD-Stammwählerschaft: „Wie kann ein Polizist mit solcher Schlampe Pommes essen“, rumorte es an der Basis. Sei es drum. Die Polizisten in der SPD wollen das Plakat als Titel ihrer Wahlzeitung nehmen und damit für Walter Momper werben. Auch wenn der grünberockte „Kollege“ nur ein Fotomodell war. Daß auch bei der Punkerin nicht alles „echt“ war, zeigt das Interview mit ihr:

Magst du eigentlich Polizisten?

Nee, ich find‘ Polizei - entweder sind se echt irgendwie sadistisch-pervers oder unpolitisch oder - ja, halt echt rechts, ne.

Und warum hast du dich mit einem abbilden lassen, oder war das gar kein echter?

Der war nicht echt, nee. Aber es sollte ja 'nen echten darstellen.

Meinst du denn, daß das erstrebenswert wäre, mit so 'nem Bullen aus 'ner Pappschachtel Pommes Frites zu essen?

Nee. Ich find Pommes Frites eklig, außerdem bin ich Vegetarierin. Irgendwie meinen die Leute, die das fotografiert haben, Pommes Frites kämen in Berlin gut an.

Aber wenn du keine Punkerin bist, wer bist du dann?

(kichert) Ich bin Christina, ich mach‘ Yoga und bin Vegetarierin. Hm, und sonst? Ich bin seit vier Jahren in der SPD.

Du bist auf alle Fälle jetzt Promi, wenn schon keine Punkerin.

Hm, ... also im Vorübergehen nicht gerade, außer Kinder manchmal, aber die halten mich meist für Nina Hagen ... (kichert).

Hast du denn jetzt das Gefühl, für die SPD was getan zu haben, also, daß Jugendliche so'n Plakat auch anspricht?

Ja, hab‘ ich, das Gefühl. Zumal gestern einige Leute mir sagten, daß ihre 13jährigen Kinder mich überm Bett zu hängen haben (lustvolles Grunzen). Mich haben gestern ganz junge angesprochen haben, die gesagt haben: Ja also, wenn se mit der Schule feddich sind, dann gehen se auch gleich zu den Jusozis (lacht). Das find‘ ich natürlich gut.

Aber dann ist das Plakat ja von oben bis unten falsch, du bist keine Punkerin, der Bulle ist gar kein Bulle, und die himmelblaue Idylle ist auch nicht - warum hast du das gemacht?

Mir ist das zu nett. Fotografiert ist es am Anhalter Bahnhof, und da sieht's so richtig echt aus. Im moment gibt's ja Polizisten, und es gibt Punks, also die beiden Symbole, die dargestellt sind, die stehen sich ja so gegenüber, so Grrr - ja, is‘ Scheiße!

Und du meinst, dieses Plakat hilft jetzt, daß sie sich nicht mehr so gegenüberstehen, so Grrr?

Kann ich nicht sagen, müßt‘ ich erst mal einen fragen (lacht), ist mir bis jetzt noch nicht eingefallen.

Und du glaubst nicht, daß du 'n paar auf die Klappe kriegst, wenn du einen fragst, ob der das toll findet?

Nö. Es gibt bestimmt einige, die es total beschissen finden, aber daß sich die Aggression gegen mich richtet, nur weil ich gefragt habe, glaube ich nicht. Ich weiß nur, Walter Momper hat mir gestern erzählt, er hat mit Punks gesprochen, so echte meint er, so richtig mit so 'nem Kamm auf'm Kopf. Und da waren echt einige dabei, meint er, sicher, es gibt immer einige, die's doof finden, aber da waren auch einige dabei, die fanden's gar nicht mal so übel. Also nach dem Motto: Für die SPD gar nicht mal so schlecht.

Interview: Claudia Fasse/bim

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