: KSZE und die Mauer
■ Honecker will die Republik mit der Mauer vor „Ausplünderung“ schützen / Gerade die USA hätten kein Recht auf Kritik
Berlin (taz) - Daß die Schlußakte der Wiener KSZE -Folgekonferenz keine unverbindliche Absichtserklärung darstellt, zeigt die dramatische Kontroverse in den Äußerungen der kommunistischen Regierungschefs. Die rumänische Parteizeitung 'Scinteia‘ sieht in dem Schlußdokument einen „Rückschritt“, und durch die Forderung nach freiem Personenverkehr und Religionsfreiheit einen Vorwand, „der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer den Weg zu ebnen“. Den freien Personenverkehr sieht die Zeitung als eine Gefahr, die die „verwerflichen Praktiken, die die Anwerbung billiger Arbeitskräfte und den Abfluß geistigen Potentials“ heraufbeschwöre. Der polnische Außenminister hingegen akzeptiert die Notwendigkeit, daß gerade die inneren Angelegenheit, die „gesamte Gesetzgebung“, überprüft werden.
Vor allem aber die DDR hat sich in das Zentrum der internationalen Kritik manövriert. Auf die Mauer-Kritik des scheidenden US-Außenministers Shultz replizierte jetzt Honecker: „Sie wird in 50 und auch in 100 Jahren bestehen bleiben. Das ist schon erforderlich, um unsere Republik vor Räubern zu schützen.“ Er sah die Hauptfunktion des „antifaschistischen Schutzwalls“ darin, der „Ausplünderung“ der DDR durch den Wechselkurs von 7 zu 1 zwischen DDR- und BRD-Mark vorzubeugen. An Shultz‘ Adresse gerichtet erklärte er, eine Mauerkritik durch die USA sei unberechtigt, wenn diese die elektronisch gesicherte Grenze zwischen Mexiko und Amerika nicht zum Thema machen würden. Informationen über Massenfluchten von US-Bürgern nach Mexiko stehen noch aus.
Das 'Neue Deutschland‘ verschweigt jedenfalls in der gestrigen Ausgabe gänzlich den Bürgerrechtsteil der Menschrechtsfrage. Die Rede des DDR-Außenministers Fischer wird abgedruckt, der die Menschrechte als soziale Rechte definiert. Da es in der DDR keine Armut gebe, seien die Menschenrechte verwirklicht.
KH
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