: Radiotelevision Espanola - Der regierungseigene Bauernhof
■ Pilar Miro, Generaldirektorin des spanischen Senders RTVE muß gehen / Staatliche Selbstbedienung geht weiter
Und was die Ausstrahlung unseres Telediarios angeht, so werden wir unser Programm ...“ - Ton aus, Bild weg. Nichts werden wir mehr machen, zappenduster flimmert der Bildschirm vor sich hin, und Television Espanola fährt fort in seinem Programm mit der ersten wirklich tiefschwarzen Komödie der Filmgeschichte. Der verheißungsvolle Titel: Generalstreik. Länge: genau eintausendundachtzig Minuten. Zappenduster empfängt das staatliche Fernsehen den 14.Dezember 1988, und als die Ansagerin um 18 Uhr wieder das Normal-Programm begrüßen darf, hat Felipe Gonzalez die rotgelbe Landkarte seines Imperiums einer gründlichen Revision unterziehen müssen. Während plötzlich wieder die beiden größten Gewerkschaften - die UGT und die CCOO - ihren Namen auf dieser Landkarte reklamieren, verschwindet der Name einer der wichtigsten Stützen der regierenden PSOE: Pilar Miro, seit Oktober 1986 Generaldirektorin des Radiotelevision Espanola (RTVE), also die „drittwichtigste Person nach dem Präsidenten und seinem Vize“ (so die Tageszeitung 'Diario 16‘), hat abdanken müssen.
Gestolpert ist sie aber nicht etwa über den Generalstreik, sondern über ein paar Brillanten und goldene Ohrringe, mit denen sie sich auf Rechnung des RTVE geschmückt hat. Für annähernd 4 Millionen Peseten (etwa 65.000 Mark) hat sich die Chefin über etwa 150.000 Angestellte Kleider, Blusen, Schmuck und diverse Geschenke geleistet - alles auf Kosten des RTVE. Nachdem 'Diario 16‘ am 14.Oktober die Quittungen veröffentlichte, fordern die Oppositionsparteien den Rücktritt Pilar Miros, die selbst (noch) Parteimitglied der PSOE ist. Doch obwohl auch die eigene Partei, und hier besonders die Clique um den Vizepräsidenten Alfonso Guerra, die Generaldirektorin scharf kritisiert, entläßt Gonzalez sie zunächst nicht. Nun, drei Monate später, hat Gonzalez, der als Präsident alleinig den RTVE-Generaldirektor ernennen und entlassen darf, den bisherigen Chef der staatlichen Telefongesellschaft Telefonica, Luis Solana, als Miro -Nachfolger gekürt. Und damit auch auf jeden Fall klar ist, daß „die Miro“ nicht nur wegen läppischen 4 Milionen Peseten geht, hat sich Solana auch gleich den Segen Guerras besorgt. Denn diesen Segen hat der Viezpräsident, dem eine entscheidende Rolle beim Sturz Miros zugesprochen wird, vor 27 Monaten Pilar Miro bei deren Amtseinführung demonstrativ verweigert: Zusammen mit seinem Schützling, dem Ex -Generaldirektor Jose Maria Calvino, tauchte der Vizepräsident bei der obligatorischen Einführungszeremonie erst gar nicht auf.
Und während sich Calvino mit dem Privatfernsehen Canal 10 erst einmal mächtig aufs Maul gelegt hat, bedankt sich Pilar Miro auf ihre Art bei Felipe Gonzalez, zu dem man ihr ein „freundschaftliches Verhältnis“ nachsagt: Sie besteht darauf, einer Pressekonferenz des Präsidenten am 29.Juli letzten Jahres nicht weniger als 20 Minuten der Nachrichtensendung Telediario 2 und gleich 30 Minuten des Informe Semanal zu widmen. Zwei Wochen später räumt Luis de Benito seinen Stuhl als Direktor des Telediario 2. Ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Vorkommnissen besteht natürlich nicht. Und so scheut selbst die regierungsnahe Tageszeitung 'El Pais‘ sich nicht, den Fall Miro als „politische Operation“ und das staatliche Fernsehen als „privaten Bauernhof“ zu bezeichnen. Doch diese „politischen Operationen“ haben im RTVE schon fast Tradition: Im April 1980 verklagten die Sozialisten, angeführt von Gonzalez, den damaligen RTVE-Chef Fernando Arias Salgado wegen illegaler Aneignung und Veruntreuung öffentlicher Gelder. Das Verfahren gegen den von der damals regierenden UCD nominierten Salgado wird Jahre später eingestellt - trotzdem: Operation geglückt, denn der Ruf Salgados und somit auch der Ruf der UCD hat beträchtlich gelitten.
Damit das staatliche Fernsehen aber auch weiterhin ein regierungseigener Bauernhof bleibt, lassen sich Leute wie Miros Nachfolger Solana immer wieder neue salomonische Weisheiten einfallen: Auf die Frage, ob man nicht die direkte Abhängigkeit des Generaldirektors vom Präsidenten durch eine parlamentarische Wahl ersetzen solle, antwortet Solana lapidar: „Es gibt zur Zeit eine gültige Rechtsprechung, und zu der werde ich überhaupt nichts sagen, sondern die werde ich nur erfüllen.“ Wenn er denn auf seinem neuen Posten als Rechtsprechungserfüller genauso viel Glück hat wie bei der Telefonica, dann kann Spanien sich nur noch viele schwarze Komödien wünschen: Die Telefonica ist zwar finanziell saniert, technisch dafür absolut ruiniert.
Thomas Langhoff
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