Bisher 2.779 Aids-Kranke registriert

■ Neue statistische Zahlen zur Ausbreitung belegen „abnehmende Zuwachsraten“ für die Bundesrepublik Deutscher Aids-Kongreß in Berlin eröffnet / Haeberle warnt vor „allgemeinem Aufatmen“

Berlin (taz) - Zum Beginn des 2. Deutschen Aids-Kongresses, der gestern in Berlin eröffnet wurde, hat das Aids-Zentrum des Bundesgesundheitsamts neue Zahlen zur Verbreitung der Krankheit vorgelegt. Danach wurden bis Ende 1988 in der Bundesrepublik 2.779 Aids-Fälle in das Fallregister aufgenommen. Der seit einigen Monaten sich abzeichnende Trend zu „abnehmenden Zuwachsraten“ halte an, heißt es.

Anfangs waren viele Epidemiologen von einer Verdoppelung der Zahl der Aids-Erkrankungen innerhalb von acht Monaten ausgegangen. Noch im vergangenen Jahr wurde eine Verdoppelung nach zwölf Monaten registriert. In seinem neuen Bericht nennt das Aidszentrum nun einen Zeitraum von 15 Monaten, in dem aus 1.400 Aids-Kranken (September 1987) 2.779 geworden sind (Jahresende 1988).

Auch im vergangenen Jahr seien mehr als 80 Prozent aller Aids-Fälle in den sogenannten Risikogruppen der Fixer und Homosexuellen registriert worden. Der Anteil der Drogenabhängigen sei dabei allerdings von 9,7 (Ende 1987) auf 12,9 Prozent angestiegen. Die Zahl der Aids-kranken Frauen wird mit 182 angegeben, von denen die Hälfte drogenabhängig sei. Der Anteil der Frauen gilt - abzüglich der Drogenabhängigen - als wichtiges Indiz für die Häufigkeit heterosexueller Übertragungen. Er ist konstant geblieben. Unverändert blieb auch die Alktersverteilung der Kranken. Unter den 10 bis 20jährigen sind 30 Aids-Fälle bekannt geworden. Die Zahl der Aids-kranken Kinder wird mit 22 angegeben. Die Zahl der bisher über HIV-Tests diagnostizierten Infizierten lag zum Jahresende bei 29.000. In dieser Zahl sind aber alle Doppelt- und Dreifachtests enthalten, die wegen der Anonymität der Meldungen nicht erkannt werden können. Aktualisiert hat das Aids-Zentrum seine Schätzung der in der Bundesrepublik tatsächlich Infizierten. Während man bisher von 30.000 bis 100.000 HIV -Infizierten ausging, wird jetzt die Zahl von 50.000 bis 150.000 genannt.

Erwin Haeberle, Leiter der Abteilung Information am Aids -Zentrum, warnte davor, angesichts der neuen Zahlen, die Anstrengungen der Prävention zu verringern. Auch wenn die Entwicklung hinter vielen dramatischen Spekulationen zurückbleibe, sei ein „allgemeines Aufatmen nicht angebracht“. Die Wahrnehmung einer „nach wie vor schleichenden Geschlechtskrankheit, bei der wir uns auf viele Jahre einstellen müssen“, dürfe nicht verwischt werden, sagte Haeberle zur taz.

Manfred Kriener