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Zeuge minderer Qualität

■ Ehemaliger Besetzer des Kubat-Dreiecks wurde vom Landfriedensbruch- Vorwurf freigesprochen, weil der Polizeizeuge unglaubwürdig war

Mit einem Freispruch vom Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs und einer Verurteilung zu 2.800 Mark Geldstrafe wegen Beleidigung und Sachbeschädigung in anderer Strafsache endete gestern vor dem Moabiter Amtsgericht der Prozeß gegen einen ehemaligen Besetzer des Lenne-Dreiecks. Der 25jährige Ex-DDRler Nils R. War im vergangenen Sommer dadurch bekannt geworden, daß er einer der beiden Menschen war, die im Zuge der Besetzung in U-Haft gelandet waren.

Nils R.s Inhaftierung war einigermaßen spektakulär: Er war am 24. Juni nach einer Demonstration in der Innenstadt festgenommen worden, weil ihn ein Polizeibeamter als angeblichen Krawallmacher, der am 20. Juni am Lenne-Dreieck Steine geworfen haben sollte, wiedererkannt zu haben glaubte. Doch der 32jährige Polizeikommissar Joachim M., der auch gestern hartnäckig auf einem Wiedererkennen Nils‘ insistierte, gab vor Gericht ein schlechtes Bild ab.

Der Kommissar hatte das sichere Wiedererkennen von Nils mit dem „markanten Aussehen“ des Angeklagten begründet. Am 20. Juni, schilderte der Zeuge, habe er bei einem Einsatz anläßlich einer der Scharmützel zwischen Besetzern und Polizei am Lenne-Dreieck beoachtet, wie Nils mehrere Minuten mit erhobenem Zeigefinger vor einem Wasserwerfer gestanden habe. Dabei habe sich ihm eingeprägt, daß Nils eine sehr eng sitzende schwarze Lederjacke getragten habe, „meiner Meinung nach zwei Nummern zu klein“. Dazu eine am rechten Knie und Gesäß geflickte schwarze Lederhose mit Nietengürtel, einen rechten schwarzen Lederhandschuh, an der Linken einen Bauhandschuh, und an den Füßen Springerstiefel, wobei ihm am rechten Schuh ein Nietengurt als eine Art Spore ins Auge gestochen sei. Auf dem Kopf habe Nils R. einen schwarzen Helm getragen und sein Gesicht bis zur Brille mit einem dunklen Tuch verhüllt. Zwei Stunden später, fuhr der Beamte fort, habe dieselbe Person, diesmal ohne Helm und Tuch, mindestens einen Gegenstand aus einer Menschenmenge in Richtung Polizei geworfen. Da die Festnahme des Täters aufgrund seines Aufenthalts auf DDR-Gebiet nicht möglich gewesen sei, habe er sich dessen Aussehen gut gemerkt. Vier Tage später, so der Zeuge, habe er dieselbe Person am Kudamm wiedererkannt und daraufhin die Festnahme veranlaßt.

Auf die Frage, warum er sich vier Tage später noch so gut an winzig kleine Details erinnern konnte, verwies der Zeuge darauf, daß er am Morgen des 21. Juni ein Gedächtnisprotokoll für private Zwecke angefertigt habe. Nachdem der Beamte die Aufzeichnungen zwar mit zum Gericht gebracht, diese dem Richter aber nicht aushändigen wollte, weil sie „rein privater Natur“ seien, beantragte Verteidiger Ströbele die sofortige Beschlagnahme. Ströbele vermutete, daß der Zeuge die Personenbeschreibung erst am 24. Juni, dem Tag der Festnahme, geschrieben hatte. Zu recht, wie sich nach der Beratungspause über den Antrag zeigte, die der Zeuge zudem noch zu eiligen Manipulationen in seinem Schriftstück genutzt hatte. Nach der Übergabe an den Richter gab der Polizist zu, daß das Schriftstück eine am Vortage angefertigte Abschrift des Orginals sei. Den Orginalzettel habe er vernichtet. Da plädierte sogar Oberstaatsanwalt Thiele in Sachen Landfriedensbruch auf Freispruch.

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