Argentinische Armee macht Linke verantwortlich

Zivile Kreise hegen Zweifel am Kommunique der Streitkräfte über die Urheberschaft der Kasernenbesetzung in Buenos Aires / Menschenrechtsgruppen und Liberale verurteilen die Besetzung als „kriminell“ / Vereinigte Linke vermutet bewußte Provokation  ■  Aus Montevideo Gaby Weber

Nachdem sich die letzten 14 Besetzer der „La Tablada„ -Kaserne vor den Toren von Buenos Aires am Dienstag vormittag ergeben hatten, zerbricht man sich über die Hintergründe der Aktion in der argentinischen Hauptstadt nach wie vor den Kopf. Nur für die Streitkräfte ist alles klar. Laut ihrem Kommunique handelte es sich bei den etwa 50 Besetzern, darunter Frauen, um Mitglieder der früheren peronistischen Guerilla „Montoneros“ und der Ex-Guerilla ERP (Revolutionäres Heer des Volkes). Diese sollen, von mindestens 250 aktiven Helfern aus der Umgebung unterstützt worden sein. Die Kaserne war über 24 Stunden besetzt gehalten worden.

In ihrem Arsenal sollen sich sowjetische schwere Waffen befunden haben, darunter Raketenwerfer, tragbare Flugabwehrraketen vom Typ SAM 7 und Maschinengewehre. „Das Erwachen war bitter“, so das Armee-Kommunique weiter, vor allem wenn man sich vor Augen führt, daß sich das neue ERP als viel gefährlicher und fanatischer herausstellt als der der siebziger Jahre . Die Frage, wem die Aktion nützt, ist ohne Zweifel beantwortet: Es hat die Stunde derjenigen geschlagen, die nun von der Gesellschaft ein Ende der Prozesse gegen Militärs wegen Menschenrechtsverletzungen und die Rechtfertigung des „schmutzigen Krieges gegen die Subversion“ fordern. Und schon läuft Präsident Raul Alfonsin vor laufenden Kameras durch das Militärhospital und dankt den verwundeten Soldaten für ihren Einsatz für die Demokratie. Er betrachtet die Aktion des Kommandos als bisher „schwerste Herausforderung“ seiner sechsjährigen Amtszeit.

Alfonsin hatte zu Beginn der Besetzung noch geglaubt, daß wieder einmal aufsässige Offiziere dahinter stecken würden, zumal am Tatort Flugblätter gefunden wurden, auf denen ultrarechte Offiziere wie Aldo Rico und Mohamed Ali Seineldin als Helden gefeiert wurden. Aber nachdem die Heeresleitung zum Angriff geblasen hatte, schloß sich auch der Präsident der ERP-Version an. Nach Angaben von Staatspräsident Alfonsin sind bei der Schießerei 37 Menschen getötet worden, davon vermutlich 28 Besetzer. 65 Personen seien verwundet worden.

Ob hinter der Aktion des angeblichen „demokratischen Widerstandsheeres“ tatsächlich Linke gestanden haben, wird in zivilen Kreisen von Buenos Aires eher bezweifelt. Gerüchteweise hies es, daß die „Alerte Nacional“, eine am rechten Flügel der Peronisten angesiedelte und aus ehemaligen Polizisten und ausgemusterten Falkland-Kämpfern zusammengewürfelte Organisation, die Besetzung durchgeführt haben könnte.

Liberale, Linke, Linksradikale und Menschenrechtsgruppen verurteilten die Besetzung einhellig als „kriminell“ und „unsinnig“. Sie vermuten die Urheber bei den Militärs. „Ich bin davon überzeugt, daß es sich dabei um eine gut montierte Provokation handelt, die sich gegen die Linke richtet“, erklärt der taz gegenüber Luis Mattini. Er ist der einzige Überlebende des Politbüros der PRT, der „Revolutionären Partei der Arbeiter“, die 1970 die Guerilla ERP als ihren bewaffneten Arm gegründet hatte.

Mattini arbeitet heute innerhalb der „Vereinigten Linken“, ein Bündnis, in dem sich wenige Wochen vor den Wahlen am 14. Mai Trotzkisten, KP, unabhängige Linke und PRT-Reste zusammengeschlossen haben. Ein Jose Caldu, der laut Heeres -Kommunique einer der toten Besetzer sein und früher bei ERP gekämpft haben soll, ist ihm völlig unbekannt. Allerdings, gibt Mattini zu bedenken, sind einige ERP-Leute in der Haft umgedreht worden. Was aus denen geworden ist, wisse er nicht. Daß verzweifelte Linke eine Selbstmordaktion unternommen haben, hält der ehemalige PRT-Chef für „unwahrscheinlich„; eine Aktion von dieser Größenordnung erfordere eine Vorbereitung, zu der niemand innerhalb der Linken auch nur entfernt imstande sei: „Die versprengten Reste des ERP haben mit Sicherheit nicht die Kapazität von 50 Kämpfern plus Unterstützer.“