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Verzögerungspolitik in Libyen-Affäre

Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses / Bundesaußenminister Genscher hat Erinnerungslücken  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Außenminister Genscher konnte keine Antwort auf die Frage geben, wann er zum ersten Mal von dem Libyen-Projekt gehört hätte. Das berichteten Teilnehmer nach der gestrigen Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses in Bonn. Er wolle diese Information aber nachreichen. Genscher nahm an der von der SPD beantragten Sitzung nur für eine Stunde teil nachdem er vergebens darauf gedrungen hatte, den Termin zu verschieben.

Der SPD-Abgeordnete Karsten Voigt kritisierte die Haltung des Auswärtigen Amts als „unglaubwürdig“, auch wenn die Hauptverantwortung für die „Informationsverzögerungspolitik“ beim Kanzleramt liege. Auf seinen Katalog von 49 Fragen bekam der SPD-Abgeordnete keine einzige Antwort; die Opposition wurde wiederum auf den zum 15.Februar angekündigten Bericht der Bundesregierung vertröstet. Die grüne Abgeordnete Angelika Beer nannte die Veranstaltung ein „Katz-und-Maus-Spiel“. Statt Aufklärung stand das Stichwort „Schadensbegrenzung“ im Mittelpunkt. Daß in der Libyen -Affäre außenpolitischer „Schaden“ entstanden ist, sei von niemandem bezweifelt worden, berichtete die außenpolitische Sprecherin der CDU/CSU, Michaela Geiger. Eine „relativ große Rolle“ hätten die erneuten Anschuldigungen aus den USA und die dort erwogenen Sanktionsdrohungen gespielt.

Keine Antwort konnte die Bundesregierung auf die Vermutung von Karsten Voigt geben, daß der deutsche militärische Vertreter bei der Nato die Weitergabe eines BND-Berichts über die libysche Chemie-Fabrik unterbunden habe. Dies werde geprüft. Genscher konnte auch nicht ausschließen, daß ehemalige Bundeswehrangehörige ihre Kenntnisse im Bereich chemischer und biologischer Waffen an arabische Staaten weitergegeben oder verkauft hätten. Hinweise darauf gebe es aber nicht.

In der Sondersitzung kamen auch die Geschäfte der Frankfurter Firma Lurgi zur Sprache. Dem Ausschuß wurde mitgeteilt, sie sei als Beraterin für eine andere Firma tätig, die eine Pflanzenschutzmittel-Fabrik im Iran erstellt. Diese Fabrik sei aber ohne erhebliche Umbauten nicht zur Produktion von Kampfstoffen geeignet, wurde versichert.

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