Atom-Störfallserie in Schweden

Bei der ASEA-Brennelementefabrik in Västeras kam es zu fünf Störfällen in zwei Wochen / In einem Fall knapp an der Explosion vorbei / Experten-Bericht: „Um Haaresbreite unkontrollierte Kettenreaktion“ verhindert  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Das vom radioaktiven Fall-out nach der sowjetischen Atomkatastrophe in Tschernobyl besonders betroffene Königreich Schweden wird zur Zeit von einer Serie von Unfällen und Pannen in der größten Brennelementefabrik des Landes erschüttert. Bei der mit dem BBC-Konzern liierten ASEA-Atom in Västeras kam es vom 27. Dezember 1988 bis zum 11.Januar 1989 zu insgesamt fünf Störfällen, von denen der letzte von den Experten der Staatlichen Kernkraftinspektion (SKI) - in etwa vergleichbar mit der bundesdeutschen Reaktorsicherheitskommission - als „kritisch“ bezeichnet wurde. In einen Bericht von SKI heißt es, ein schwerer Zwischenfall am 11. Januar hätte „um Haaresbreite“ eine „unkontrollierte Kettenreaktion“ ausgelöst.

Gegenüber der taz erklärte der für die Überwachung der ASEA -Atom zuständige SKI-Oberingenieur Paul Ek, daß an diesem Tag in der Assemblierungshalle der Brennelementefabrik rund 200Liter stark kontaminiertes Wasser den gesamten Fußboden der Halle überschwemmt habe. Das kontaminierte Wasser sei aus einem Tank ausgetreten, in den ein Rohrleitungssystem mündet, mit dem radioaktive Gase gekühlt und absorbiert werden. Das ganze System komme dann zum Einsatz, wenn sich im Herstellungsofen für die Urantabletten - „aus welchen Gründen auch immer“ - Überdruck bildet. Über ein Ventil entweiche dann der kontaminierte Dampf in das Rohrleitungssystem. Durch die Leckage im Auffangtank sei das geschlossene System unterbrochen worden, so daß die „Gefahr der Überhitzung des Brennofens durchaus real bestanden“ habe. Das Leck sei von den Mitarbeitern der ASEA-Atom zunächst nicht bemerkt worden, da die beiden Warnsignallampen, die den Druckverlust hätten anzeigen müssen, nicht funktioniert hätten. Der Schaden sei dann allerdings noch „rechtzeitig behoben“ worden. Eine Kontaminationsgefahr habe weder für die MitarbeiterInnen der ASEA-Atom noch für die Bevölkerung der Stadt Väseras bestanden. Als Konsequenz fordern die Inspekteure in ihrem Bericht eine Generalüberholung des gesamten Sicherheitssystems der Fabrik.

Auch Mitglieder der schwedischen Grünen (Miljö-Partei) und der Anti-Atom-Bewegung sprachen von der Gefahr einer „unkontrollierten Kettenreaktion“, die eine Explosion des Ofens bei der ASEA-Atom unweigerlich mit sich gebracht hätte. Dabei hätte es dann zu einer „sehr großen Freisetzung von Radioaktivität“ kommen können. Die Atomkraftgegnerin Ingeborg Kleinhans aus Västeras warf der ASEA-Atom „mangelnde Sicherheitseinrichtungen“ vor und forderte von der SKI die Stillegung der Anlagen. Der Konzern betreibt in Västeras auch eine Anlage zur Dekontamination von Atommüll, in der auch Schrott aus bundesdeutschen AKWs be- und verarbeitet wird. Aufgrund der Vielzahl der Störfälle hat die SKI eine Sicherheitsüberprüfung der ASEA-Anlagen angeordnet. Die zunächst von der SKI vertretene These, daß es sich bei den Störfällen um „Sabotage“ gehandelt haben könne, habe sich im Verlauf der Untersuchungen „nicht erhärtet“. Nach der Reinigung der betroffenen Produktionshalle ist bei ASEA-Atom der Normalbetrieb wieder angelaufen. Noch gebe es „keine Gründe“ die Brennelementefabrik stillzulegen, meinte SKI-Sprecher Ek.