„Beifall bekommt man nicht“

Gespräch mit Rudi Berger (37), Tennisschiedsrichter  ■  INTERVIEW

taz: Herr Berger, ich bin von dem Wunsch beseelt, den Beruf des Tennisschiedsrichters zu ergreifen. An welches Arbeitsamt muß ich mich wenden?

Rudi Berger: Da wird keines helfen. Sie müssen als Linienrichter anfangen, gut sein, dann kommen Sie vielleicht auf den Schiedsrichterstuhl. Wer da eine gute Figur abgibt, kommt zu Grand-Prix-Turnieren, dort brauchen Sie von verschiedenen Supervisors eine gute Beurteilung. Dann können Sie sich bei einer Schule des Men's Tennis Council bewerben.

Die Schulbank drücken?

Nur drei Tage, und nach einer erfolgreichen Prüfung in Regelkunde gibt es das Zertifikat „Internationaler Tennisschiedsrichter“.

Dann habe ich aber noch immer keinen Job.

Nein, von denen gibt es 150. „Full-Time-Umpires“, wie wir das nennen, sind wir nur sechs.

Seit wann existiert dieser Beruf?

Vor vier Jahren fing das an, zuerst mit zwei Schiedsrichtern.

Wenn Sie nur sechs sind, spüren Sie da keinen Druck? Ist schon mal einer entlassen worden?

Ein Franzose, ja. Ich muß halt gut arbeiten. Und das „Off -Court-Behaviour“ muß stimmen. Wer zuviel mit Spielern rumhängt, säuft, sich zu sehr in den Mittelpunkt stellt, wird nicht alt in dem Job.

Ein Profi im Tenniszirkus verdient sicher nicht schlecht.

Im Jahr 42.000 Mark, ohne die Spesen, das ist weniger, als ich beim Patentamt als Regierungsamtmann hatte.

32 Wochen im Jahr arbeiten Sie durch, begutachten rund 300 Tennisspiele. Schalten Sie da noch zu Hause den Fernseher ein, wenn es Tennis gibt?

Bei einem Finale vielleicht mal, sonst versuche ich, eher selbst zu spielen.

Hier sind zwanzig Schiedsrichter im Einsatz, dazu 280 Linienrichter. Sind Sie besser als die?

Schon. Ich habe viel mehr Erfahrung. Ein guter Nichtprofi kommt vielleicht auf 50 Spiele im Jahr. Man braucht auch Mut, einen Linienrichter zu überstimmen, das kann ich nicht aus Gefühlsduselei, da muß ich gute Augen haben.

Die haben Sie?

Ja, ich mache Augentests, das ist doch zur Zeit mein Kapital, damit verdiene ich mein Geld ...

... und kaufen sich viele Karotten.

Auch nicht mehr als andere Leute. Ich trainiere meine Augenmuskeln durch Rollen, aber höchstens eine halbe Minute am Tag.

Wie viele Linien hat ein Platz nach einer tüchtigen Feier?

Auf die Erfahrung kann ich verzichten. Wenn ich zu Hause mal ein paar Bier trinke, merke ich am Tag darauf sofort, daß ich schlechter sehe.

Hat Sie schon mal einer richtig zur Schnecke gemacht?

Ich kann mich wehren, ich habe ja das Regelwerk zur Hand. Der Spieler ist am kürzeren Hebel.

Es scheint nicht, daß die immer nur freundlich zu Ihnen sind.

Da fallen wenig böse Worte, und wenn einer dauernd „fuck“ zu sich sagt, das interessiert mich nicht.

Das klingt ja alles nicht sehr aufregend.

Es gibt schon nette Momente. In Tokio habe ich einen Schaukampf zwischen McEnroe und Matsuoka geleitet. Das japanische Publikum ist eigentlich sehr ruhig, aber beim Tiebreak wurde es doch aufgeregt. Ich hatte ein paar japanische Worte gelernt und sagte „Ruhe bitte“. Das hat die so begeistert, daß alle laut applaudierten. McEnroe rügte, ich sei wohl wenig erfolgreich.

Sehen Sie eigentlich bei einem Spiel, ob es besonders schön ist?

Ich habe meine Augen dort, wo die Bälle landen. Das ist kein Genuß, das ist harte Arbeit, sich über Stunden zu konzentrieren und keine Fehler zu machen. Das alles gut läuft, ist meine Genugtuung. Beifall bekommt man als Schiedsrichter nicht.

Interview: Thömmes